Nationales Sinfonieorchester der Ukraine
Konzert | Schumann & Dvorák | Kölner Philharmonie
Nuron Mukumi, Klavier
Volodymyr Sirenko, Dirigent
Robert Schumann (1810-1856)
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54
Der in Zwickau geborene Sohn eines Buchhändlers und Verlegers trat als Zehnjähriger zum ersten Mal öffentlich als Pianist auf. Dennoch verlief seine künstlerische Entwicklung keineswegs geradlinig, da er sich lange nicht zwischen der Musik und der Literatur entscheiden konnte. Neben seinem Jurastudium wurde Robert Schumann Klavier und Kompositionsschüler bei Friedrich Wieck, dessen künstlerisch hochbegabte Tochter Clara Wieck später gegen den Willen des Vaters seine Frau wurde. Reisen in die Schweiz und nach Italien führten Schumann mit berühmten Virtuosen seiner Zeit zusammen und festigten seinen Entschluss, nun doch die musikalische Laufbahn einzuschlagen. Die angestrebte Karriere als Pianist musste er allerdings aufgeben, da er sich durch verkehrtes Training eine Versteifung der rechten Hand zugezogen hatte. Stattdessen widmete er sich nun ganz der Komposition und der Musikkritik, etwa im Rahmen der 1834 von ihm mitbegründeten und rasch berühmt gewordenen „Neuen Zeitschrift für Musik“. 1850 wurde Schumann nach Düsseldorf berufen, wo er als städtischer Musikdirektor für drei Jahre die Sinfoniekonzerte leitete. Doch schon 1854 musste er dieses Amt wieder niederlegen, weil sich ein bereits früher aufgetretenes Nervenleiden immer stärker bemerkbar machte. Seine beiden letzten Lebensjahre verbrachte er nach einem missglückten Versuch der Selbsttötung in geistiger Umnachtung in der Nervenheilanstalt in Endenich bei Bonn.
Nachdem er sich in den ersten Jahren seines Komponierens fast ausschließlich mit Klaviermusik befasst und sich im Jahr 1840 besonders intensiv der Liedkomposition zugewandt hatte, begann Schumann 1841 mit der Komposition seiner ersten bedeutenden Orchesterwerke. Neben der ersten Sinfonie in B-Dur und der ersten Fassung der vierten Sinfonie in d-Moll entstand in diesem Jahr auch eine Phantasie für Klavier und Orchester in a-Moll – die Keimzelle für das spätere Klavierkonzert. Diese für sich stehende Phantasie ergänzte Schumann im Sommer 1845 durch zwei weitere Sätze zu einem kompletten Konzert. Die Uraufführung fand am 4. Dezember 1845 in Dresden unter der Leitung von Ferdinand Hiller statt, dem das Werk auch gewidmet ist. Den Solopart übernahm Clara Schumann, die über ihren Eindruck beim Studium des Konzerts folgendermaßen berichtete: „Wie reich an Erfindung, wie interessant vom Anfang bis zum Ende ist es, wie frisch und welch ein schönes zusammenhängendes Ganzes!“
Der berühmte Musikkritiker Eduard Hanslick schrieb anlässlich einer Wiener Aufführung des Klavierkonzerts im Jahr 1858 folgende Kritik, die in ihrem souveränen Zugriff manche moderne Einführung in das Werk weit übertrifft: „Das A-moll-Concert gehört zu den reifsten, ausgearbeitetsten Compositionen Schumanns, und man braucht es nicht aus der Opuszahl (54) zu entnehmen, dass es des Meisters fruchtbarster und glücklichster Periode entstammt. Das Thema des ersten Satzes, das nach einigen scharf dissonirenden Accorden des Claviers vom Orchester gebracht wird, erinnert in seiner edlen, aber etwas weichlichen Haltung an Mendelssohn; allein gleich die folgende Sechzehntelfigur mit den absteigenden Bässen ist echt Schumannisch, wie alles Weitere. Nach einem längeren Tutti in C fällt (noch vor der sogenannten Durchführung) das Clavier mit einem wunderzarten Andantino in As von nur 30 Takten ein, das wie ein kleiner, spiegelheller See zwischen dunklen Felsen und Bäumen sich ausbreitet. Die Solo-Cadenz ist bei Schumann (unmittelbar vor dem Schluss des ersten Satzes) vollständig ausgeschrieben. Die veraltete, nicht mehr zu rechtfertigende Gewohnheit, dass der Componist dem Spieler carta bianca für eine beliebige Cadenz gab, welche oft dem Styl und der Oeconomie des ganzen Stückes grell widersprach, konnte bei Schumann unmöglich Gnade finden. Er componirte selbst die Cadenz, die von bescheidenster Dimension, weit weniger eine Anhäufung von Bravour-Passagen, als vielmehr ein geistreiches Stück freier Phantasie ist. Ein kurzes ‚Allegro molto' schließt den ersten Satz, der somit in seiner Folge von mäßig rascher, langsamer und schnellster Bewegung selbst das verkleinerte Abbild eines ganzen Concertes ist. Der zweite Satz, ein ‚Andantino grazioso‘ in F-dur, lässt auf eine kurze, zwischen Clavier und Orchester sich neckisch ablösende Figur einen breiten Gesang der Violoncelli folgen, dessen bezaubernde Innigkeit auf keinen anderen Componisten der Welt, als gerade auf Schumann, würde rathen lassen. Das Andantino leitet unmittelbar in das Finale, das – ‚Allegro vivace 3/4' – mit einem freudig herausfordernden Hornthema stolz anhebt. Voll regen Lebens, glänzend, kraftvoll, über und über geschmückt mit neuen reizenden Passagen, in einem Guss fortfließend bis zum Ende, ist dieser Finalsatz ein Muster echt concertmäßiger Composition.“
Antonín Dvorák (1841-1904)
Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 B 178
»Aus der Neuen Welt«
Antonín Dvorák wurde 1841 in Nelahozeves geboren, einem kleinen an der Moldau gelegenen Dorf nördlich von Prag. Der Vater war Metzger und führte außerdem die örtliche Gastwirtschaft. Als guter Zitherspieler sorgte er gleichzeitig für die Unterhaltung seiner Gäste. Dass Antonín, der älteste Sohn der Familie, Metzger werden sollte, stand außer Frage. Dass er frühzeitig musikalisches Talent bewies, in der Dorfkirche Geige und bald auch Orgel spielte, konnte den geschäftlichen Interessen der Eltern nur förderlich sein. So kam es, dass der junge Dvorák zunächst einmal eine Metzgerlehre absolvierte und mit der Gesellenprüfung abschloss, bevor er sich ganz der Musik widmen konnte. Nach einer zweijährigen Ausbildung an der Prager Orgelschule erhielt er das Abschlussdiplom und fand in Prag Unterkommen bei Verwandten. Seinen Unterhalt verdiente er als Mitglied einer Musikkapelle. Mit der ganzen Kapelle wechselte Dvorák nach einiger Zeit zum Prager Interimstheater, spielte dort zwölf Jahre die erste Bratsche und lernte dabei die damals gängige Opern- und Konzertliteratur kennen. Seit 1862 komponierte er Kammermusik, Opern, Kantaten und Sinfonien. Seit Ende der siebziger Jahre geschah dies mit zunehmendem äußerem Erfolg, der es ihm sogar erlaubte, sich ein Sommerhaus in Südböhmen zu kaufen, in dem er mit seiner Familie die Sommermonate zu verbringen pflegte. Seit 1891 wirkte Dvorák als Kompositionslehrer am Prager Konservatorium. Im gleichen Jahr erhielt er sowohl von der tschechischen Universität Prag wie auch von der Universität Cambridge die Würde eines Ehrendoktors verliehen. Von 1892 bis 1895 weilte Dvorák als Direktor des New Yorker Konservatoriums in den Vereinigten Staaten und komponierte dort unter anderem seine berühmteste Sinfonie „Aus der neuen Welt“. Während der Proben zu seiner letzten Oper „Armida“ erkrankte Dvorák. Am 1. Mai 1904 starb er in seiner Prager Wohnung an einem Gehirnschlag.
Dvoráks letzte Sinfonie verdankt ihren originalen Untertitel nicht nur dem Umstand, dass sie das erste Werk ist, das der Komponist während seines Amerika-Aufenthaltes komponierte, sondern auch ihrem programmatischen Charakter, den Dvorák in einem Brief an einen Freund folgendermaßen bestimmte: „Die Amerikaner erwarten große Dinge von mir, vor allem soll ich ihnen den Weg ins gelobte Land und in das Reich der neuen, selbständigen Kunst weisen, kurz, eine nationale Kunst schaffen.“ Grundlage dieser nationalen Kunst müssten die Lieder der Indianer und vor allem der afroamerikanischen Bevölkerung sein. Wie sehr Dvorák die Erwartungen des amerikanischen Publikums erfüllte, zeigt die Reaktion der Presse auf die enthusiastisch aufgenommene Uraufführung der neunten Sinfonie am 16.12.1893 in der Carnegie Hall in New York. Von einer „Studie nationaler Musik“ war die Rede, „deren Themen durchdrungen sind vom Geist der Neger- und Indianermelodien“. Zweifellos wird amerikanisches Kolorit in manchen Themen deutlich, in der Pentatonik der Melodien, in synkopierten Rhythmen der Folklore, in bestimmten harmonischen Wendungen. Ebenso sehr aber bleibt Dvorák auch in dieser „amerikanischen“ Sinfonie seiner böhmischen Heimat und ihrer Volksmusik verpflichtet. Vielleicht verdankt die Sinfonie ihren fortdauernden Erfolg gerade der Tatsache, „dass der Komponist es verstanden hat, in seine unverwechselbare böhmische Muttersprache – sozusagen als Lehnwörter – das folkloristische Vokabular des Gastlandes zu integrieren“ (Kohlhase).
Formal bietet die Sinfonie wenige Besonderheiten. Als Modell bleibt die Sonatenhauptsatzform für den Kopfsatz und das Finale bestimmend, während die Mittelsätze die übliche dreiteilige Gliederung aufweisen. Ungewöhnlich ist allerdings die im Kopfsatz („Adagio – Allegro molto“) vorangestellte langsame Einleitung, die den melancholischen Tonfall mancher späterer Teile der Sinfonie vorwegnimmt. Durch Themenwiederholungen erhalten Exposition und Reprise einen großen Umfang, während der Durchführungsteil des Kopfsatzes demgegenüber relativ knapp ausfällt. Mit am stärksten zur Popularität der Sinfonie hat der zweite Satz („Largo“) beigetragen. Die elegische Melodie des Englischhorns, das hier als führendes Instrument fungiert, der exponierte Einsatz der weich gestimmten Hörner, ein Mollteil, der eine von Seufzermotiven geprägte Melodik aufweist – all dies verdichtet sich zu einer stimmungsgeladenen musikalischen Sprache, die immer wieder auch Erklärungen einer programmatisch gemeinten Bedeutung provoziert hat. Von eigenem Reiz ist der Beginn des dritten Satzes, eines Scherzos („Molto vivace“). Ein kurzes Thema wird viele Takte hindurch allein durch ein rhythmisches Ostinato der Streicher begleitet, vielleicht die kompositorische Imitation eines Indianer-Tanzes. Der zweite Themenabschnitt und das Trio hingegen kehren ganz die böhmischen Charakteristika der Sinfonie hervor. Im Finalsatz („Allegro con fuoco“) wird die thematische Verknüpfung der einzelnen Sätze noch einmal besonders sinnenfällig, denn in den Durchführungsteil werden die Hauptthemen aller drei vorangegangenen Sätze einbezogen. Gegen Ende des Satzes werden sie sogar alle noch einmal ausdrücklich zitiert, so dass der Zuhörer gewissermaßen eine Rekapitulation der gesamten Sinfonie erhält.
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