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Beatrice Rana
© Simon Fowler

Orchestre National de France

Konzert | Dukas, Ravel & Strawinsky | Kölner Philharmonie

Beatrice Rana, Klavier
Cristian Macelaru Dirigent



Paul Dukas (1865-1935)
L’apprenti sorcier (Der Zauberlehrling)
Scherzo für Orchester nach einer Ballade von Johann Wolfgang von Goethe

Maurice Ravel (1875-1937)
Konzert für Klavier und Orchester G-Dur

Der Komponist Maurice Ravel kam als Soldat 1917 gesundheitlich geschwächt aus dem Krieg zurück. Die Kriegseindrücke, der Verlust von gefallenen Freunden und der Tod seiner geliebten Mutter waren nicht ohne Einfluss auf seine Persönlichkeit geblieben. Dass Verdüsterungen in Werken wie „La Valse“ und dem „Konzert für die linke Hand“ Niederschlag persönlichen Erlebens sind, wird sich angesichts von Ravels Scheu vor irgendwelchen „Bekenntnissen“ nie beweisen lassen, wird aber oft vermutet – wie denn auch die kurz nach Vollendung der beiden Klavierkonzerte ausbrechende Todeskrankheit, ein Gehirntumor, ihre Schatten vorausgeworfen haben dürften, findet sich doch auch in anderen Spätwerken Ravels das Todesmotiv verdächtig häufig.

Das ebenfalls heute Abend zur Aufführung kommende Klavierkonzert in G-Dur – so schreibt Ravel selbst – „ist ein Konzert im genauesten, wörtlichsten Sinne des Wortes und geschrieben im Geiste der Konzerte Mozarts und Saint-Saëns„. So präsentiert es sich der Form nach als eine klassisch anmutende Schöpfung in drei Sätzen, die allerdings mit der Gattung des klassischen Klavierkonzertes verfremdend spielt. Der erste Satz beginnt überraschenderweise als Bläserkonzert, das eher wie Zirkusmusik klingt und die Musik wie mit einem Peitschenknall zur Bewegung antreibt. Bewegung ist eines der Grundmomente der beiden Ecksätze (Allegramente und Presto), die auch durch die vielfältig verwendeten Elemente des damaligen „jazz américain“, vom Blues bis zum Foxtrott, unterstützt wird. Im schärfsten Kontrast dazu steht der langsame Mittelsatz (Adagio assai). Der künstliche Fluss einer vom Klavier lang ausgesponnenen Melodie im Dreivierteltakt wird durchkreuzt von der Walzerbegleitung in der linken Hand des Solisten im Dreiachteltakt, so dass sich subtile Schwerpunktverlagerungen zwischen Melodie und „Begleitung“ ergeben. Im Weiteren tritt das Soloinstrument wieder hinter den Bläsern zurück, mit Figurationen, die direkt aus Mozarts Klavierkonzert KV 503 stammen. Mit der Walzerbegleitung endet dieser eigentümliche Satz.
Text: Christoph Prasser

Igor Strawinsky (1882 - 1971)
L'Oiseau de feu (1909–10/1919)
2. Konzertsuite für Orchester

Der in Oranienbaum bei Petersburg Geborene erhielt frühe musikalische Eindrücke durch den Vater. Während des 1901 begonnenen Jurastudiums nahm er Klavier- und Kompositionsunterricht. Dann wurde er Privatschüler von Nikolaj Rimskij-Korsakow. Er veröffentlichte erste Kompositionen und pflegte intensiven Umgang mit einem Kreis junger Künstler, die sich um eine von dem Impresario Serge Diaghilew herausgegebene avantgardistische Zeitschrift gruppierten. Diaghilew war es auch, der den jungen Komponisten in Westeuropa bekannt machte. 1910 wurde das innerhalb von knapp sechs Monaten von Strawinsky komponierte Ballett "Der Feuervogel" in Paris von den berühmten "Ballets Russes" uraufgeführt. 1911 folgte das Ballett "Petruschka", und am 29. Mai 1913 kam es zur berühmt-berüchtigten Uraufführung von "Le sacre du printemps", in deren Verlauf es im Zuschauerraum zu tumultartigen Szenen kam. Mit diesen drei Balletten hatte sich Strawinsky innerhalb weniger Jahre als der führende junge russische Komponist in Westeuropa etabliert. Bei der Uraufführung von Strawinskys Orchesterfantasie "Feu d'artifice" hatte er Diaghilew 1909 in St. Petersburg kennengelernt. Er erhielt von ihm den Auftrag, eine Musik zum Ballett "L'Oiseau de feu" (Der Feuervogel) zu schreiben. Mit diesem kontrastreichen Werk in einem Akt mit zwei Szenen begründete er seinen Weltruhm. Das Libretto hatte der berühmte russische Tänzer und Choreograph Michail Fokin nach zwei alten russischen Volksmärchen geschaffen. Es geht dabei um den Sieg der guten Mächte über die Kräfte des Bösen: Der junge Zarewitsch Iwan verfolgt im Zaubergarten des bösen Zaubererfürsten Kaschtschei den glitzernden Feuervogel, ein Fabelwesen, das der Macht des Zauberers nicht unterworfen ist. Schließlich gelingt es dem Zarewitsch, den Feuervogel zu fangen. Dieser verspricht ihm eine rote wundertätige Feder, wenn er ihn wieder freiließe. Mit Hilfe dieser Feder vermag der Zarewitsch, die Macht des bösen Zauberers zu brechen und die von ihm gefangengehaltene Zarewna und ihre Mädchen zu befreien. 19 Musiknummern hat Strawinsky für das Ballett geschrieben. Der Zarewitsch kann zur strahlend-hellen, durchweg diatonischen Musik brillieren. Die Welt des Bösen in Gestalt des Zauberers ist in eine düste-chromatische Musik getaucht. Flirrende Melodiefragmente charakterisieren den Feuervogel. Am Ende siegt die Aura des volksmusikalisch Hellen über das chromatisch Dunkle.
Text: Heidi Rogge

Maurice Ravel (1875-1937)
Boléro
für Orchester
Neben Debussy gilt Ravel als der Hauptvertreter einer in Anlehnung an bekannte Stilrichtungen der bildenden Kunst als "Impressionismus" bezeichneten Kompositionsrichtung. Seine Werke sind durch eine überwältigende Klangpracht und durch eine Steigerung der virtuosen Momente ins Artistische gekennzeichnet. Ravels Oeuvre markiert die letzte Verfeinerung der poetisch-virtuosen Musik des 19. Jahrhunderts. Sein großes Vorbild war Mozart, aber auch Künstler wie Schubert, Debussy, Gounod, Mussorgskij, Strawinskij, Rimski-Korsakow sowie Schönberg. Ravel verwendete die verschiedenen Stilmittel, die ihm seine Zeit bot, und schuf sich seine eigenen Gesetze und seine eigene Welt. "Ravels Kunst strebte weder nach Leidenschaft noch nach Wahrheit, sondern wohl eher nach der ‚Betrachtung des Schönen', und zwar durch die Befriedigung des Geistes mittels der Freude des Hörers". Dass Ravel das Schöne immer wieder mit Ironie und Esprit in Frage stellte, macht den besonderen Reiz und die Tiefe seiner Musik aus. Sein Schaffen zeichnet sich durch technische Perfektion und durch Präzision im Detail aus. Er wollte keine Botschaft verkünden, sondern nur mit seiner Musik bezaubern. Doch trotz der ‚Entsubjektivierung' ist Ravels Musik nicht unpersönlich. Er verarbeitete folkloristische Anregungen und benutzte Kirchentonarten. Und er übernahm die klassischen Formen, um sie dann eigenartig zu verschleiern.

Der französische Schriftsteller Jean Cocteau wies auf die "Zwillingshaftigkeit" Ravels und Debussys hin. Vom "Vater Impressionismus" gezeugt, seien sie nur voneinander abzugrenzen, wenn man "dem einen die künstlerische Physiognomie des anderen" entgegenhalte. Einen Unterschied könne man allerdings sofort feststellen: Während Debussy, der Monet der Musik, alles kräftig eingetunkt und durchwürzt habe, stelle man bei Ravel, dem Bonnard der Musik, Klänge ohne "Sauce" fest, was soviel heiße wie: keine Schleier, die Nacktheit der Rhythmen, die Trockenheit der Linie, die Kraft des Einsatzes und eine gelehrte Naivität des Tonfalls und der Akkorde. Ravel selbst war sehr überrascht über den Erfolg, dem der "Boléro" 1928 nach der Uraufführung beschieden war. Ihm ging es eigentlich um eine Betonung des technischen Elements und seine Einschätzung des Werks als "Übungsstück" wird durch die Tatsache unterstrichen, dass es ursprünglich in D-Dur stand, jedoch um einen Ton nach C-Dur transponiert wurde, als ein befreundeter Posaunist darauf hinwies, dass die Glissandi für dieses Instrument einen Ton tiefer wesentlich wirkungsvoller wären. Ravel nannte den "Boléro" sogar ein "Stück für Orchester ohne Musik". Diese Aussage sollte man Ravels paradoxem Gemüt zuschreiben, denn der "Boléro" erfüllt sehr wohl die Anforderungen eines musikalischen Meisterwerks, wie André Suarès nach der Uraufführung in der "Revue Musicale" treffend erkannte: "Die Vollkommenheit Claude Debussys und Wolfgang Amadé Mozarts ist anderer Art, aber Ravel ist vollkommen. Er hat das Dionysische des Impressionismus überwunden. Alles ist aus einem Guß. Die melodische Linie, die Freude und der hohe Sinn für Harmonie, der Rhythmus, die musikalische und poetische Gesetzlichkeit, alles vereinigt sich in ihm. Das Gleichgewicht ist unfehlbar. Das Ganze und das Einzelne, der kleinste Takt und die ganze Partitur...alles ist ausgewogen, berechnet und mit Sicherheit und erstaunlichem Geschmack dargebracht...Sein einziger Fehler ist manchmal, ohne Fehler zu sein!"
Text: Heidi Rogge

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