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Sir Simon Rattle
© Christian Palm

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Konzert | Hindemith, Zemlinsky & Mahler | Kölner Philharmonie

Lester Lynch, Bariton
Sir Simon Rattle, Dirigent


Paul Hindemith (1895 – 1963)
Ragtime (wohltemperiert)
Paul Hindemiths „Ragtime (wohltemperiert)“ ist ein kraftvolles Orchesterstück, das er im Jahr 1921 komponierte. Dazu schrieb er humorvoll an seine Musikverleger: “Können Sie auch Foxtrotts, Bostons, Rags und anderen Kitsch gebrauchen? Wenn mir keine anständige Musik mehr einfällt, schreibe ich immer solche Sachen.”
Der „Ragtime (wohltemperiert)“ basiert auf der Fuge Nr. 2 in c-Moll, BWV 847 aus Johann Sebastian Bachs Werkzyklus „Das Wohltemperierte Klavier“. Hindemith verarbeitet diese Fuge auf provokante Weise im Stil eines Ragtime. Hindemith formt aus dem melodischen Material der Bach-Fuge allerdings ein völlig neues Stück. Das Werk bewahrt zwar den fugalen Charakter, weist aber auch den tänzerischen Stil eines Ragtimes auf. Durch harmonische Verfremdungen, rhythmische Verschärfung und ausgedehnte Instrumentierung schuf Hindemith ein provokantes Stück. Die Orchesterfassung dieses Werkes – es existiert noch eine Fassung für Klavier zu vier Händen – ist zu Hindemiths Lebzeiten nie erklungen. Sie wurde erst am 21. März 1987 wiederum vom Radio-Sinfonie-Orchester Berlin unter Gerd Albrecht in Berlin uraufgeführt. Hindemith sollte das Thema Ragtime später in seiner bekannten Suite von 1922 im fünften Satz erneut aufgreifen.
Spieldauer: ca. 4 Minuten

Alexander von Zemlinsky (1871 – 1942)
Sinfonische Gesänge op. 20
für Bariton (oder Alt) und Orchester. Texte aus „Afrika singt“, herausgegeben von Anna Nußbaum
Zemlinsky komponierte die Sinfonische Gesänge Anfang 1929 und orchestrierte sie im Sommer desselben Jahres während eines Urlaubs in Juan-les-Pins. Der Komponist verwendete Texte aus einer Wiener Gedichtsammlung mit dem Titel „Afrika singt“, die von Anna Nussbaum herausgegeben und Anfang 1929 veröffentlicht wurde – eine Sammlung afroamerikanischer Lyriker, die unter europäischen Künstlern und Intellektuellen Aufsehen erregte. Zemlinsky widmete seine Gesänge dem Andenken an seine Frau Ida, die im Januar 1929 verstorben war. Der Text wurde von Wilhelm Grosz herausgegeben und von Jean Forman übersetzt. Zemlinskys direkte Erfahrung mit afrikanischen Gesellschaften und Musik war begrenzt. Er identifizierte sich jedoch mit der Notlage der schwarzen Amerikaner, da sie die Erfahrungen vieler Juden in Deutschland und Österreich nach dem Ersten Weltkrieg widerspiegelte. Das Werk wurde am 8. April 1935 in einer Studioübertragung in Brünn unter der Leitung von Heinrich Jalowetz uraufgeführt. Die Gesänge umfassen insgesamt sieben Lieder: I. Lied aus Dixieland, II. Lied der Baumwollpacker, III. Totes braunes Mädel, IV. Übler Bursche, V. Erkenntnis, VI. Afrikanischer Tanz und VII. Arabeske. Der Zyklus erstaunlich. Die sieben Gedichte handeln von Rassismus und vom lebensfeindlichen Alltag der Afroamerikaner. Zwar ist der Zyklus nicht frei von folkloristischen Klischees, aber gleich das erste Lied prangert mit der Lynchjustiz ein zentrales Thema der Lebenswirklichkeit der Afroamerikaner an. Leider sitzt Zemlinsky einer schlechten Übersetzung auf und gestaltet das letzte Lied („Arabesque“) als Kehraus. Kinder unterschiedlicher Hautfarbe spielen unbeschwert miteinander, während über ihnen in den Bäumen scheinbar vergnügt ein farbiger Mann „schaukelt“. Ein grausames Missverständnis: Im amerikanischen Original wird klar, dass auch dieser Mann gehenkt wurde.
Zemlinskys kompositorischer Schwerpunkt liegt in der Mitte der Gesänge, in der Nr. 5, „Erkenntnis“: Unvermutet bettet sich die Musik in ein weiches D-Dur, ähnlich dem großen Seitensatz aus dem 2. Streichquartett. „Ich möchte wieder einfach sein, / Wie Erde, / Wie Regen / Einfach und rein“. Was wie ein Stoßseufzer des Komponisten klingt, könnte auch als Motto über der Partitur stehen, denn tatsächlich wird Zemlinsky in den Sinfonischen Gesängen „einfacher“. Das Orchester ist kaum kleiner als das der „lyrischen Sinfonie“, aber alles Ornamentale, Massive, Komplexe fehlt. Die „Gesänge'' sind ein Zyklus der scharf geschnittenen Kanten. Nicht die Streicher regieren das Orchester – mehrere Lieder verzichten sogar ganz auf die Violinen – sondern Solobläser. Schon der 1. Gesang, das „Lied aus Dixieland“, beginnt kammermusikalisch, der Sänger fügt sich in den Satz der Solo-Holzbläser. In „Totes braunes Mädel“ gibt das Solo-Fagott den Ton vor. Im wilden Scherzo des „Übler Bursche“ leitet Zemlinsky aus dem Text ein Schlagmotiv in die tiefen Streicher ab und hebt mit einem delikaten Quartett von vier Celli und der Solo-Oboe an. Zemlinskys „Sinfonische Gesänge op. 20“ sind ein Kind ihrer Zeit. Die 1920er-Jahre hatten den aus der Kolonialherrschaft sich allmählich zurückziehenden Europäern die Augen geöffnet für die Kulturen anderer Kontinente, für die soziale und seelische Notlage unterdrückter Rassen und Bevölkerungsschichten. Der Jazz der Schwarzen war gleich einem Wirbelsturm durch die westlichen Konzertsäle gefahren und hatte ungewohnt heftige Reaktionen ausgelöst. Manche der bislang sakrosankten Kunstansichten gerieten ins Wanken angesichts einer Musik, die von unten kam und wilde Auswüchse und grelle Buntheit nicht scheute. Weitere Impulse kamen von Ernst Krenek (Jonny spielt auf, 1927), Kurt Weill (Dreigroschenoper und Mahagonny, 1928/29) und aus der bis dato so geächteten Music Hall. Zemlinsky nahm diese streng antiromantischen Tendenzen hellhörig, aber durchaus kritisch zur Kenntnis. Für die einfachen, aber tief empfindsamen Beispiele afroamerikanischer Lyrik fand er dank dieses Verschmelzungsprozesses einen neuen, glaubhaften Ton.
Spieldauer: ca. 18 Min.

Gustav Mahler (1860 – 1911)
Sinfonie Nr. 6 a-Moll „Tragische“
Die heute Abend zu hörende 6. Sinfonie entstand in den Sommerwochen 1903 und 1904. Im September 1904 wurde das Particell in Maiernigg am Wörthersee beendet, wo Mahler sich eine Villa und ein „Komponierhäusl“ hatte bauen lassen und wohin er sich seit 1899 zum Komponieren zurückzuziehen pflegte. Diese Zeit war – nach den Worten von Mahlers Frau Alma – die glücklichste Zeit ihrer jungen Ehe. Dass dennoch gerade diese Sinfonie Gustav Mahlers den Beinamen „Die Tragische“ erhielt, erklärt Alma Mahler so: „Die Sechste ist sein allerpersönlichstes Werk und ein prophetisches obendrein. Er hat mit den Kindertotenliedern wie auch mit der Sechsten sein Leben 'anticipando' musiziert.“ Als Vorahnung des Katastrophensommers von 1907 also deutet Alma Mahler dieses Werk, als Vorahnung jenes Sommers, in dem die vierjährige Tochter Anna stirbt, in dem die wenige Jahre später zum Tode führende Herzkrankheit Mahlers erkannt wird und in dem er nach heftigen Intrigen und einer Pressekampagne die Leitung der Wiener Hofoper aufgibt.
Die fünf Eingangstakte der Sechsten Sinfonie nehmen gleich zu Beginn des Kopfsatzes („Allegro energico, ma non troppo“) den Marschrhythmus auf, der im Verlauf des Werkes in mehreren Variationen wiederkehrt. Mit großer Lautstärke setzt das markante erste Hauptthema ein, das in der folgenden Verarbeitung mehrfach verwandelt wird. Nach einer ruhigen Überleitung mit choralartigen Motiven tragen die ersten Violinen das leidenschaftliche, fast hymnische zweite Thema vor, mit dem der Komponist angeblich seine Frau charakterisieren wollte. Die Exposition wird wiederholt und in einer anregenden Durchführung kunstvoll verarbeitet. In einem überraschenden Zwischenspiel beschwören zarte Celesta-Klänge, Glocken und Schalmeien die Vision einer friedlichen Almlandschaft herauf, doch die Idylle währt nur kurz. Schon in der Reprise beginnt der Kampf von neuem. Mit einer wilden Attacke kündigt die Pauke die letzte Steigerung des Satzes in Form der Coda an.
Auch der zweite Satz, ein „Scherzo“, lebt von Kontrasten. Mal wuchtig stampfend, den Marschrhythmus des ersten Satzes aufgreifend, mal volksliedhaft „altväterlich, graziös“ tänzelnd, fehlt es nie an ironisch-parodistischen Einsprengseln. Das Hin und Her der häufigen Taktwechsel, das Schwanken in der Dynamik und die bisweilen grellen Effekte des Schlagwerks deuten auf eine letztlich unaufgelöste Spannung hin.
Einen ganz anderen Charakter zeigt das an dritter Stelle platzierte „Andante“ in Es-Dur. Aufgebaut ist er auf zwei Themen. Mit dem ersten beginnen die Streicher „zart, aber ausdrucksvoll“, nach wenigen Takten schon folgt das zweite im Englischhorn. Die Melodien entwickeln sich scheinbar ungezwungen, und doch bereitet sich hier schon der düstere Ausbruch melodischer Spannungen vor, mit dem der Satz endet.
Die Sinfonie gipfelt in einem Finale (Allegro moderato) von gewaltiger Ausdehnung (822 Takte) und höchster Vielschichtigkeit. Wiederum sind zwei Themen und ihre vielfältigen Verzweigungen die Träger der musikalischen Auseinandersetzung. Das erste Thema setzt dunkel und drohend im Horn über tiefem Glockengeläut ein, das zweite wird choralartig zunächst von den Holzbläsern und Hörnern vorgetragen, erfährt aber im weiteren Verlauf zahlreiche Wandlungen des Ausdrucks und Aufspaltungen der ursprünglichen Motive. Motive und Themen aus dem ersten und zweiten Satz werden wieder aufgegriffen. So erklingen die Almidylle und der Marschrhythmus des ersten Satzes noch einmal. Zweimal fallen vernichtende Hammerschläge „wie ein Axthieb“ und beenden abrupt die vorangegangenen Steigerungen. Der ausgedehnte Satz hat als letzten Formteil eine Reprise, deren Funktion auch darin liegen mag, das Auseinanderbrechen der Sonatenform, das diesem Finale ständig droht, noch einmal abzuwenden.
Mahlers 6. Sinfonie ist ein extremes Werk, das in seiner erschütternden Ausdrucksintensität und der komplexen Dichte der Satzstruktur von keiner anderen seiner Sinfonien übertroffen wird.
Spieldauer: ca. 80 Min

Kölner Philharmonie

Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln

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