Bitte das Augenmaß nicht verlieren!
Gemeinsame Erklärung der Kölner Theaterkonferenz e.V., der plattform kölner theater e.V. und der Initiative Freies Theater Köln.
Nur wenige Unverbesserliche und Verschwörungstheoretiker*innen leugnen, dass die Corona-Pandemie eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für unsere Gesundheit, sondern auch für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Von daher haben weite Teile der Bevölkerung und insbesondere die Kulturschaffenden mit Verständnis auf behördliche Anordnungen der vergangenen sieben Monate reagiert, wenngleich nicht selten die eigene berufliche Existenz davon betroffen war.
Umso erfreulicher war, dass Stadt und Land eine vorsichtige Öffnung der Kultureinrichtungen insgesamt und vor allem der besonders betroffenen Theater ermöglicht haben. Die Theater haben diese Öffnung mit eigenen Hygienekonzepten umgesetzt und stets mit größter Verantwortung darauf geachtet, die Gesundheit und die Sicherheit ihres Publikums in keiner Weise zu gefährden. Bis heute ist kein einziger Fall bekannt, dass von einer Kultureinrichtung eine Corona-Infektion ausging. Die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer lehnt Maßnahmen an Schulen ab, da es dort „kein unkontrolliertes Infektionsgeschehen gibt“. An Theatern gibt es gar kein Infektionsgeschehen, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass es in vielen Theatern, im Unterschied zu den Schulen, Belüftungsanlagen gibt, die mehrmals stündlich für einen Luftaustausch sorgen. Durch diese Maßnahme und durch die kompromisslose Umsetzung weiterer Corona-Schutzmaßnahmen konnten wir nach und nach unser Publikum zurückgewinnen, das sich offensichtlich wohl und sicher in unseren Theaterräumen fühlt – sonst würde es ja auch nicht kommen.
An uns konnte es also nicht liegen, dass die Infektionszahlen in den vergangenen Tagen ein bedenklich hohes Niveau erreicht haben – so dachten wir wenigstens. Und so waren wir sehr erschreckt, am vergangenen Freitag im Amtsblatt der Stadt Köln zu lesen, dass wir nur noch ein Drittel unseres normalen Platzangebots zur Verfügung stellen dürfen und das – trotz des Tragens einer Maske auch während der Aufführungen – der Abstand von 1,5 m einzuhalten sei. Eine offizielle Information hierüber haben wir übrigens bis heute nicht erhalten. Schon allein diese Einschränkung bringt vieler Kolleg*innen erneut an der Rand ihrer Existenz, insbesondere die Träger der freien und privaten Theater.
Aber kaum war der erste Schock überwunden und die ersten Protestbriefe geschrieben, weist jetzt das Land NRW die Kommunen an, die ohnehin schon willkürliche Begrenzung auf ein Drittel der Normalauslastung weiter zu reduzieren „auf 20 % der normalen Kapazität des Veranstaltungsortes“ (Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. Okt. 2020).
Wir finden diesen Überbietungswettbewerb zwischen Stadt und Land unerträglich und ohne jedes Augenmaß. Gerade die Theater tragen in der jetzigen Situation maßgeblich dazu bei, das gesellschaftliche Miteinander aufrecht zu erhalten, setzen wichtige Impulse für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den sozialen Folgen der Corona-Pandemie und tragen verantwortungsvoll dazu bei, dass unser Publikum die bisherigen Einschränkungen akzeptiert. Und so gefährden Stadt und Land mit ihren neuen Verordnungen weit mehr, als „nur“ die Existenz einzelner Theater.
Wir fordern von Stadt und Land die unverzügliche Rücknahme der neuen Verordnungen, sofern sie Kulturräume betreffen. Wir haben bewiesen, dass wir verantwortlich mit der Situation umgehen können.
Und wir fordern von Stadt und Land, auch in kritischen Situationen im Vorfeld die Kommunikation mit uns suchen. Wir kennen die Situation in unseren Häusern besser als Krisenstäbe und Staatssekretäre.
Viel Vertrauensverlust hätte so vermieden werden können.
Donnerstag, 15. Oktober 2020