Viele Uraufführungen und ein Sommernachtstraum
Die (letzte) Schauspiel-Saison 2023/24 im Mülheimer Depot
"So ein Theater wirst Du im Leben nicht mehr kriegen." habe der erst kürzlich verstorbene Altmeister des Theaters und ehemalige Kölner Intendant Jürgen Flimm über das Mülheimer Depot zu ihm gesagt, berichtet Noch-Intendant Stefan Bachmann.
Famous last words? Vielleicht - Stefan Bachmann stellt den Spielplan für seine letzte Spielzeit in Köln vor und hat doch auch, genau wie sein Kollege Hein Mulders an der Oper, den Umzug an den Offenbach-Platz schon im Blick. Dann allerdings wird Bachmann bereits (fast) auf dem Weg an die Wiener Burg sein. Noch "einmal krachen lassen" will er es zum Schluss und lässt deshalb Shakespeare's "Sommernachtstraum" (Regie: Jan Bosse) ab Mitte Mai 2024 'en suite' im Depot spielen. Praktischer Nebeneffekt: dadurch gewinnen die Gewerke Zeit und Energie für den schon erwähnten Umzug.
Bevor es soweit ist, setzt man am Schauspiel Köln vor allem auf eine Fülle von Uraufführungen: Den Auftakt am 01.09. im Depot 2 inszeniert die chilenisch-palästinensische Regisseurin María F. Giacaman mit ihrem Kollektiv 'what about: fuego' mit „Am Anfang war der Zaun“, einer Auseinandersetzung mit "unseren" Mauern und Grenzen. Einen Tag später im Depot 1 folgt "Yazgerds Tod", gleichsam ein Verschwörungsszenario über den rätselhaften Tod eines Königs - das Werk des iranischen Autors Bahram Beyzaie inszeniert Mina Salehpour als deutschsprachige und dennoch multilinguale (Farsi, Englisch) Erstaufführung. Weitere Ur- und Erstaufführungen sind u.a.: "Eigentum (Let’s face it, we’re fucked)" des österreichischen Autors Thomas Köck (mehrfach ausgezeichnet mit dem Mülheimer Dramatikerpreis). Ein Auftragswerk des Schauspiel Köln, Regie führt Marie Bues. Bei "Akins Traum", ebenfalls einem Auftragswerk für das Schauspiel, einer "Alter Ego"-Geschichte von Akin Emanuel Sipal, führt der Hausherr selbst Regie. "Ein von Schatten begrenzter Raum" heißt der aktuelle Roman der Georg-Büchner-Preisträgerin Emine Sevgi Özdamar, die Bühnenfassung dieses Künster:innen-Epos inszeniert Nuran David Calis. Die weltweit erstarkten rechtsradikalen und faschistischen Netzwerke entlarvt Tobias Ginsburg mit seinem Undercover-Recherche-Stück "Die letzten Männer des Westens". Ein wichtiges neues Stück, Regie führt Rafael Sanchez.
Bewährtes und Bekanntes? Nun, die verschobene Aufführung von "Der Prozess" nach Franz Kafka kommt in der Inszenierung von Pinar Karabulut, Chefdramaturg Thomas Jonigk blickt mit Henrik Ibsens Familiendrama "Gespenster" in menschlichen Abgründe und Heinrich Bölls berühmte Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" kommt in einer neuen Fassung (Regie: Bastian Kraft) mit einem rein weiblichen Ensemble auf die Bühne. Krimifreunde dürfen sich bei "Soko Tatort" (Arbeitstitel) die Frage stellen, ob wir uns eine Welt ohne Polizei vorstellen können. Oder eben ein Schauspiel ohne Depot in Mülheim? Ein Sommernachtstraum ...
VH
Donnerstag, 27. April 2023