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Eine Rückschau | Niki de Saint Phalle

Unsere Museumsfahrt zur Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Samstag, den 29. April

Für Niki de Saint Phalle (29.10.1930 – 31.05.2002) gab es zum Werden einer Künstlerin keine Alternative. Ihre Kunst entwickelte sie aus der Verarbeitung ihrer Gefühle wie auch aus einer radikal feministischen Haltung heraus. Als Autodidaktin schuf sie ein facettenreiches Gesamtwerk, das sie zu einer der bekanntesten Künstlerinnen ihrer Generation machte. Niki de Saint Phalle wurde in Paris geboren, ging in New York zur Schule, heiratete dort mit 18 heimlich ihren Jugendfreund, den Schriftsteller Harry Mathews, arbeitete erfolgreich als Fotomodell, wurde 1951 zum ersten Mal Mutter und kehrte 1952 nach Paris zurück, wo erste Gemälde entstanden und Arbeiten als Aktionskünstlerin folgten. Nach gescheiteter Ehe und psychischen Problemen mit Klinikaufenthalt widmete sie sich ganz der Kunst.1) Zurückblickend schrieb sie: „Zu anderen Zeiten wäre ich für immer in eine Irrenanstalt eingesperrt worden – so aber befand ich mich nur kurze Zeit unter strenger psychiatrischer Aufsicht, mit zehn Elektroschocks usw.. Ich umarmte die Kunst als meine Erlösung und Notwendigkeit.“2) Ihre psychischen Probleme wiesen auf ihr problematisches, ambivalentes Verhältnis zu Ihren Eltern hin. Niki war das zweite von fünf Kindern, darunter drei Mädchen und zwei Jungen. Ihre Geburt fiel in die Zeit der Weltwirtschaftskrise, in der ihr Vater, aus einem alten französischen Adelsgeschlecht stammend, das in New York geführte Familienunternehmen, eine Bank, verlor. Zudem wurde Ihre Mutter, Tochter einer wohlhabenden amerikanischen Familie, während der Schwangerschaft mit Nikigewahr, dass ihr Mannfremdging, was sie zusätzlich deprimierte. Als Niki 3 Monate alt war, wurde sie gemeinsam mit ihrem Bruder in die Obhut ihrer Großeltern väterlicherseits gegeben und verbrachte die ersten drei Lebensjahre in deren Schloss in Zentralfrankreich. Nikis Vater war 1937 erneut so gut gestellt, dass die Familie nach New York ziehen konnte, wo Niki eine katholische Klosterschule besuchte. Mit elf Jahren wurde sie, eigenen Angaben zufolge, von ihrem Vater sexuell missbraucht. Die frühe Trennung und die Entfremdung von der Mutter sowie das ebenso traumatische Erlebnis des sexuellen Missbrauchs konnte sie offenbar auch als Erwachsene nicht verwinden. Gleichwohl verließ Niki de Saint Phalle 1960 auch ihrerseits ihre neunjährige Tochter und ihren fünfjährigen Sohn, um sich, wie gesagt, ganz der Kunst zu widmen.3) In der Kunst markiert das Jahr 1960 einen konzeptionellen Wendepunkt. In New York und Paris rebellierte die Avantgarde gegen die vorherrschende Abstraktion. Gefordert wurde neuer Realismus.
In Europa wollten die Mitglieder der Künstlergruppe Nouveaux Réalistes die Grenzen der reinen Malerei überwinden, in dem sie alltägliche Materialen und Handlung in ihre Kunst einbezogen: Es entstanden Aktionskunst (Happening und Performance), Assemblagen (Hochreliefs), Akkumulationen (arrangierte Anhäufung verschiedener Gegenstände), Kompressionen (zusammengepresste Autoteile) und Environments (raumbezogene Kunstwerke unter Einbezug von Gegenständen, Aktionsrelikten und auch Plastiken).4)

1) vgl. „Niki de Saint Phalle“, de.wikipedia.org
2) Niki de Saint Phalle zitiert nach: Weidemann, Christiane: Niki de Saint Phalle, München 2014, S. 39
3) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 73 f.
4) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 7 ff.

Nach frühen ersten Ölgemälden in naivem Stil kündigte sich ab der Mitte der 50-er-Jahre in Niki de Saint Phalle Bildern jenes Repertoire an, das sich auch in ihren späteren Werken zeigen wird: weibliche Figuren, als universelle Symbole von Weiblichkeit, und fantastische Wesen, Drachen,Schlangen, Monster, auch Schlösser, Gärten und Kathedralen. Inspiriert durch den Besuch der Architektur Antonio Gaudis und seines Parks Güell in Barcelona, tauchten in der zweiten Hälfte der 50-er Jahre vermehrt auch Elemente wie Steine, Perlen und Glasscherben auf. Zudem wurden gebrauchte Gegenstände (Spielzeug, Beile, Messer, Pistolen) in ihren Werken zu etwas Neuem umgedeutet – Assemblagen, die bereits 1961 im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen waren, Galerieausstellungen in Paris, Los Angelos und London folgten. 5) Mit Jean Tinguely, den sie 1956 in Paris kennen lernte und 1971 heiratete, ging sie eine intensive Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ein. Sie begann, große Leinwände mit plastischen Gipsreliefapplikationen (Monster, Tierköpfe, Puppen) zu bestücken. Unter und auf der Oberfläche waren Beutel mit Farbe befestigt, die, mit einem Gewehr beschossen, über die weiß getünchten Reliefs spritzten. 6) Mit ihren Schießbildern fand Niki de Saint Phalle als einziges weibliches Mitglied Anschluss an den Pariser Künstlerzirkel der Nouveaux Réalis tes, zu denen Aman, Christo, Gérard Duchamp, Yves Klein, Daniel Spoerri, Jean Tinguely u.a. gehörten.7) Ihre Schießbilder können alsironischer Seitenhieb auf die aktionistische, gestische Malerei und als ein Akt der Befreiung von allen Konventionen der Kunst verstanden werden. Diese Protestphase endete 1964. 8) Ein Jahr später entstanden die ersten „Nanas“ – bunte, poppig bemalte Frauenfiguren mit betont üppigen und runden Formen-, die seit den 70er und 80er Jahren großstädtische Plätze beleben. Mit dieser unbeschwert und heiter zur Schau gestellten Sinnlichkeit wird dem allgegenwärtigen Bild stilisierter Schönheit ein Spiegel vorgehalten und ein Gegenbild zum erotisch fixierten Frauenbild der Medienwelt entworfen. Nanas wurden zu einem beliebten Motiv: als monumentale öffentliche Plastiken, als begehbare Häuser und als Bühnenbilder. Sie wurden fast zum Synonym für das Werkder Künstlerin und mithin ihre Schießbilder und die anderen Facetten ihres Werkes ignoriert. Doch Niki de Saint Phalle selbst betitelte die erste öffentliche Schau ihrer Plastiken mit „Alle Macht den Nanas“ und nahm mit diesem Entwurf einer selbstbestimmten und selbstbewussten Weiblichkeit die Ideen der Frauenbewegung vorweg. 9)
Für Niki de Saint Phalle war Jean Tinguely der wichtigste Mann in ihrem Leben. Sie konnte sich ihrer besonderen Rolle in seinem Leben und seiner Solidarität, Wertschätzung und Bewunderung ihrer Arbeit stets gewiss sein. Doch Affären und Beziehungen zu anderen Frauen waren für ihn selbstverständlich. Auch Niki erlebte zahlreiche Abenteuer mit anderen Männern. Als sie 1971 nach 12 oder 13 Jahren Zusammenleben heirateten, lebten sie nicht mehr als ein Paar zusammen. Doch Kunstprojekte realisierten sie weiterhin auch gemeinsam. 10) Seit dem Besuch von Gaudis Park ließ Niki de Saint Phalle die Idee nicht mehr los, selbst einen Skulpturengarten zu schaffen. Und als ihr der Besitz „Caraviccio“ nahe Grosseto von Freunden zur Verfügung gestellt wurde, schuf sie von 1979 an mit viel Begeisterung, Liebe und vielen Mitarbeiternein außerordentliches Gesamtkunstwerk, den „Giardino dei Tarocchi“, eine skurrile Zauberwelt aus begehbaren Figuren, der in der Tradition der fantastischen Gärten des 16. und 17. Jahrhunderts steht. 11)

5) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 39 ff.
6) vgl. Reißer, Ulrich und Wolf, Norbert: Kunst-Epochen Band 12: 20. Jahrhundert II, S. 120 ff.
7) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 10 f.
8) vgl. Reißer, Ulrich und Wolf, Norbert: Kunst-Epochen Band 12: 20. Jahrhundert II, S. 120 ff.
9) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 26 ff.
10) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 93 ff.
11) vgl. Weidemann, Christiane, a.a.O., S. 60 f.

In ihn flossen auch die Erfahrungen und Anregungen aus den vielen monumentalen Skulpturenprojekten und Brunnenanlagen ein, die sie darüber hinaus mit Jean Tinguely bis zu dessen Tod (1991)geschaffen hat. 12)1991 realisierte sie erste kinetische Skulpturen, denen kinetische Reliefs folgten. In San Diego, wohin
sie 1994 zog, entstanden Siebdrucke, Zeichnungen, Skulpturen und Briefillustrationen. Zudem schuf sie in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Architekten Mario Botta in Jerusalem den Spielplatz „Noah’s Ark“, der von Kindern begeistert angenommen wurde. Und die nach den Plänen der Künstlerin posthum neugestaltete Grotte in den Herrenhäuser Gärten in Hannover wurde 2003 eröffnet.13) Drei Jahre zuvor erhielt Niki de Saint Phalle den Praemium Imperiale (japanische Kunstauszeichnung), der als Nobelpreis der Kunst gilt. In der Würdigung heißt es: „Nikis Werk fordert uns dazu auf, alle konventionellen Unterteilungen in der Kunst zu ignorieren, zwischen Malerei, Skulptur und Architektur, anspruchsvoll und anspruchslos, dauerhaft und flüchtig, sogar konventionell angemessen und unangemessen. Stattdessen macht es einfach Spaß.“ 14) Die große Ausstellung in der „Schirn“ gibt Einblick in das vielseitige Schaffen dieseraußergewöhnlichen Künstlerin, deren Kunst von einer transformatorischen Wirkungskraft zeugt, die sich in Malerei, Zeichnung, Assemblagen und Aktionen wie auch in Theater, Film und Architektur entfaltete.

VD

Dienstag, 02. Mai 2023 | Museumsfahrten

Ich heisse Nicolas | © Schirn-Museum

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