
Inhalt
Kirill Gerstein, Klavier
Thomas Adès, Dirigent
Sergej Prokofjew (1891-1953)
„Autumnal“ op. 8 – Sinfonischer Sketch für kleines Orchester
Nach Beendigung seiner Studien vor allem bei Rimski-Korsakow und Tscherepnin unternahm der 1891 in Sonzowka geborene Prokofjew Konzertreisen nach England und Italien. Bis zur Oktoberrevolution lebte er in Russland. Er ließ sich in seinen Werken nicht von der radikalen Avantgarde anstecken und hielt immer an der Tonalität sowie klar umrissenen musikalischen Formen fest. Die optimistische Kraft und Lebensfreude sowie die Eleganz und lyrisch kantable Schönheit seiner Musik haben dieser zu großer Beliebtheit und weiter Verbreitung verholfen. Doch noch während der ersten Jahre im zaristischen Russland wurde er wegen seiner wilden, grotesk verzerrenden und oftmals exzentrischen Musik zum Teil scharf angegriffen. Er emigrierte nach Paris. Hier sah er sich dem Vorwurf ausgeliefert, er sei ein Epigone und Konservativer. Diesem Vorwurf begegnete er mit seinen aufwühlendsten und „modernsten“ Werken. Als er 1934 nach Russland zurückkehrte, hatte er wohl auf der einen Seite Heimweh, andererseits wollte er aber auch dem jungen Staat nicht länger seine künstlerische Gefolgschaft verweigern. Das tiefsitzende Misstrauen der stalinistischen Kulturhüter, die in ihm nach wie vor einen Verfechter und Anhänger bürgerlicher Dekadenz sahen, konnte er alleine durch seine Rückkehr sicher nicht auf Anhieb zerstreuen. Also bemühte er sich zunächst einmal verstärkt um offizielle Kompositionsaufträge und schrieb politisch engagierte Musik, mit der er hohes Ansehen errang, obwohl er sich auch 1948 eine Maßregelung durch die Kommunistische Partei wegen seines „westlichen Formalismus“ gefallen lassen musste. Doch insgesamt glättete sich sein Stil, er wurde volkstümlicher und dem breiten Hörerpublikum verständlicher. Prokofjew suchte und fand den Ausgleich mit den Normen des „Sozialistischen Realismus“, auch wenn er sie nicht immer bedingungslos befolgte. Seine späten Werke sind stets von einem humanistischen Geist durchdrungen, der bestimmt ist von seiner, vielleicht etwas naiven Theorie einer einfachen und doch qualitativ hochstehenden Musik. Er starb am 5. März 1953 in Moskau.
Schon als Student am St. Petersburger Konservatorium unternahm Prokofjew seine ersten ernsthaften Versuche, für Sinfonieorchester zu komponieren. Eines der Resultate ist das Werk „Autumnal“, das er 1910 skizzierte. Diese poetische Orchesterminiatur ist allgemein unter dem Titel „Herbst“ bekannt, doch tatsächlich handelt es sich bei dem russischen Titel „osennjeje“ um das Adjektiv „herbstlich“ – ein kleiner und doch subtiler Unterschied. Vielleicht als Reaktion auf den Tod seines Vaters komponiert, ging es Prokofjew hier nicht, wie von einigen zeitgenössischen Kritikern angenommen, in erster Linie um die Jahreszeit, sondern vielmehr um eine trostlose, herbstliche Stimmung der Seele. Obwohl die diesem Werk innewohnende Lyrik später zu einem wichtigen Merkmal von Prokofjews reifem Stil werden sollte, ist sie für den überschwänglichen Neunzehnjährigen, der noch nicht zu seiner ganz eigenen Stimme gefunden hatte, in vielerlei Hinsicht untypisch – der evokative Charakter der Musik mit ihrer dunklen, schwermütigen Färbung ist etwa deutlich von Rachmaninows im Frühjahr 1909 uraufgeführtem Werk „Die Toteninsel“ beeinflusst.
Thomas Adès (*1971)
- Concerto for Piano and Orchestra
„Aquifer“ für Orchester
Thomas Adès wurde 1971 in London geboren. Er studierte Klavier an der Guildhall School of Music und dann Musik am King's College in Cambridge, wo er 1992 die Abschlussprüfung mit Auszeichnung bestand. Als er 1989 beim Wettbewerb der BBC („Young Musician of the Year“) den Zweiten Preis (Klavierklasse) erhielt, schien eine Karriere als Pianist vorgezeichnet. Doch der Preis führte ihn zur Komposition, 1990 erschien sein erstes Stück („Five Eliot Landscapes“). Abgesehen von der Fülle an mittlerweile komponierten Werken ist er als Pianist und Dirigent für zahlreiche Orchester und Festivals tätig. Thomas Adès ist heute einer der eindrucksvollsten Gestalten der zeitgenössischen klassischen Musik; in seiner Heimat wird er als „neuer Benjamin Britten“ gefeiert. In seinen Werken experimentiert er stets mit Farben, die er gelungen kombiniert.
Das Klavierkonzert komponierte Thomas Adès 2018 im Auftrag des Boston Symphony Orchestra für Kirill Gerstein. Die Uraufführung fand unter seiner Leitung am 7. März 2019 in der Bostoner Symphony Hall statt. Ein Kritiker schrieb kurz darauf: „Wie immer ist Adès’ Kunstfertigkeit erstaunlich, seine Orchesterbehandlung durchgehend brillant. Das Stück spricht unmittelbar an – aber lassen Sie sich nicht täuschen: Unter der Oberfläche brodelt es.“ Das Werk ist unterhaltsam und tiefsinnig, verlangt dem Solisten virtuos alles ab und steckt, ohne das Moment poetischer Innigkeit zu vernachlässigen, voller tänzerischer Energie. Es sei ein Konzert, das sich in die große Tradition der Konzerte von Prokofjew, Rachmaninow und Ravel einreihe, sagte Kirill Gerstein in einem Interview – und ergänzte: „Ganz bestimmt eines der wichtigsten Konzerte, die in den letzten 50, 60 Jahren für Klavier geschrieben wurden.“ Tatsächlich erinnert es in seinen drei Sätzen an die berühmten Konzerte der Spätromantik und fährt neben einer reichen Streicherbesetzung eine gewaltige Klangkulisse auf – mit dreifach besetzten Holzbläsern, vier Hörnern, Trompeten, drei Posaunen und großem Schlagwerk mit Gongs, Xylophon, Marimba und Tamburin.
Das Orchesterstück „Aquifer“ verfasste Thomas Adès im Jahr 2023 als Auftragswerk des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks für die erste Spielzeit seines Chefdirigenten Sir Simon Rattle mit Unterstützung der Carnegie Hall und der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Die Uraufführung fand am 14. März 2024 im Münchner Herkulessaal statt. Sowohl der Titel als auch die kompositorische Struktur beziehen sich auf wassergesättigte Gesteinsschichtenfolgen. Der Komponist schreibt darüber selbst in einer Programmnotiz: „Ein Aquifer ist eine geologische Struktur, die Wasser leiten kann. Dieses Werk ist eine einsätzige musikalische Struktur aus sieben Abschnitten. Im ersten Abschnitt, beginnend mit einer Einleitung, in der das musikalische Material von den tiefsten Tönen nach oben steigt, wird das Thema zunächst von den Flöten vorgestellt und steigert sich dann, unter immer größerem Einbezug des Orchesters, zu insgesamt drei Statements. Nach einem Zusammenbruch erscheint das Thema im zweiten langsameren Abschnitt erneut, aber mit weniger stabiler Rhythmik und Harmonik. Es folgt ein langsamer Abschnitt mit einer sich chromatisch windenden Basslinie. Sie führt beschleunigend in den schnell-fließenden vierten Abschnitt, der sich wiederum zu einem geheimnisvollen Stillstand verlangsamt. Von dort baut sich der fünfte Abschnitt auf, in dem sich alle Elemente allmählich in eine Rückkehr zum Anfangsmaterial verbinden. Dieses zerfällt wieder in einen langsamen, dunkleren Abschnitt mit schleppender Bewegung, aus ihm flüchtet sich die Musik in eine Reprise des schnell-fließenden vierten Abschnitts, diesmal in eine ekstatische Coda mündend.“
Jean Sibelius (1865-1957)
Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105 (1914/15–24) – In einem Satz
Der im finnischen Hämeenlinna geborene Jean Sibelius erhielt zunächst Klavier- und dann mit fünfzehn Jahren Geigenunterricht. Seine ersten Kompositionen datieren aus dem Jahre 1876. Von 1885 bis 1889 studierte Sibelius am Konservatorium in Helsinki. In den folgenden Jahren konnte er seine Studien dank eines Stipendiums in Berlin und in Wien (u.a. bei Karl Goldmark) fortsetzen. Seit 1892 hatte er für fünf Jahre am Konservatorium in Helsinki eine Dozentur für Theorie, Komposition und Violine inne. 1897 setzte der finnische Staat dem 32-jährigen Komponisten eine Rente aus und ermöglichte es ihm so, sich künftig ganz seinem Schaffen zu widmen. 1904 zog sich Sibelius in die Einsamkeit seines Landhauses in Järvenpää, eine Bahnstunde von Helsinki entfernt, zurück, wo er sein Leben, von einigen Reisen nach England und Amerika abgesehen, bis zu seinem Tode zubrachte. Der umfangreiche Werkkatalog umfasst sieben Sinfonien, Sinfonische Dichtungen, Schauspielmusiken, ein Violinkonzert, eine Oper, Vokalmusik und eine Reihe kammermusikalischer Werke.
Die siebte Sinfonie entstand parallel zur sechsten in den Jahren 1914 bis 1924. Bei der Uraufführung am 24. März 1924 in Stockholm trug sie noch die Bezeichnung „Phantasia Sinfonica“; Sibelius verwarf danach den Titel, um der Verwechslung des Werks mit einer Sinfonischen Dichtung zuvorzukommen. Aus seiner Art sinfonischer Gestaltung aus kleinen Keimen heraus zog Sibelius in seiner letzten Sinfonie nun die finale Konsequenz: Das Werk ist in einem großen Satz durchkomponiert, nichts erinnert mehr an die traditionelle Sinfonie-Gliederung. Ausgehend von einer in den tiefen Streichern angestimmten, aufwärts steigenden Skala, die in einem Moll-Dreiklang gipfelt und von der im Grunde das gesamte motivische Material abgeleitet wird, entwickelt sich ein dichtes Netz von Motiven und Motivverbindungen. Die Flöte stimmt ein bukolisches, von Sechzehntel-Girlanden geprägtes Thema an. Ein zweites erscheint in Gestalt einer breit strömenden Kantilene in den Bratschen. Ein drittes Thema, welches für den weiteren Verlauf bedeutsam wird, ertönt als weit gespannter Ruf der Posaune. Es wird später den hymnischen Schluss der Sinfonie einleiten. Und es ist der formale Anhaltspunkt für den Hörer, da es jedes Mal auftritt, wenn das Stück in einen neuen Abschnitt übergeht. Das Zeitmaß steigert sich im Folgenden zu einem „Allegro, molto moderato“. Die Holzbläser stimmen eine Weise an, die sich zu einer Art Scherzo-Episode ausweitet. Das farbige Orchesterbild erscheint schließlich als dahineilendes „Presto“. Doch plötzlich bricht die Bewegung mit dem machtvollen Posaunenthema ab. Mit einer feierlichen Coda, die eine Variante des allerersten Flötenthemas bringt, schließt das Werk monumental in hymnischem C-Dur-Tutti.
Genre:
Konzert
Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln
Ihre Eintrittskarte ist zugleich Hin- und Rückfahrkarte 2. Klasse im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS).
Tickets & Termine
Oktober 2025
Gürzenich-Orchester Köln
Höhenflug
Konzert | Prokofjew, Adès & Sibelius

Gürzenich-Orchester Köln
Höhenflug
Konzert | Prokofjew, Adès & Sibelius

Gürzenich-Orchester Köln
Höhenflug
Konzert | Prokofjew, Adès & Sibelius
