Inhalt
Péter Somodari, Violoncello
Daniel Harding, Dirigent
Richard Strauss (1864-1949)
Don Juan op. 20 TrV 156
Tondichtung (nach Nicolaus Lenau) für großes Orchester
Mit Don Juan betritt Richard Strauss endgültig die Bühne der Spätromantik. Das Werk markiert einen Wendepunkt in seinem Schaffen: Es vollzieht einen Bruch mit der klassisch geprägten Tradition seiner frühen Werke und leitet die Entwicklung zu einer selbstbewussten sinfonischen Dichtung nach literarischem Vorbild ein. Strauss orientiert sich dabei an Franz Liszt, erweitert dessen Konzept jedoch um eine bislang unerreichte orchestrale Virtuosität, um ein deutlich vergrößertes Orchester und eine noch expressivere Tonsprache. Die literarische Grundlage bildet Nikolaus Lenaus Versdrama Don Juan, das die bekannte Figur nicht als bloßen Frauenhelden, sondern als metaphysisch Suchenden interpretiert. Strauss übernimmt diesen Ansatz und gestaltet seinen Don Juan als ein Wesen, das von einem unstillbaren Verlangen nach absoluter Erfüllung getrieben wird – einem Ideal, das sich in der realen Welt jedoch nicht verwirklichen lässt.
Bereits der Beginn des Werkes ist programmatisch: Ein eruptives Hauptthema stürzt unmittelbar in das Geschehen und etabliert den rastlosen Charakter der Hauptfigur. Strauss arbeitet mit einer dichten motivischen Vernetzung, bei der Themen nicht nur wiederkehren, sondern sich ständig transformieren. Die komplexe Harmonik, die extreme dynamische Spannweite und die farbige Orchestrierung – insbesondere der Einsatz von Hörnern und Holzbläsern – machen Don Juan zu einem Prüfstein für jedes Orchester. Trotz der äußeren Brillanz enthält das Werk zahlreiche Momente der Zurücknahme. Lyrische Episoden, die oft mit den Begegnungen Don Juans mit verschiedenen Frauenfiguren verknüpft sind, kontrastieren scharf mit der vorwärtsdrängenden Grundbewegung. Der Schluss schließlich bricht radikal mit der Erwartung eines triumphalen, heroischen Finales: Don Juans Tod wird nicht siegreich, sondern resignativ und leise geschildert – ein bemerkenswert modernes, nahezu antiheroisches Ende.
Joseph Haydn (1732 - 1809)
Sinfonie f-Moll Hob. I:49
(»La Passione«)
Joseph Haydns Symphonie Nr. 49 entstand in einer Phase intensiver künstlerischer Exploration. In den 1760er Jahren, während seiner Tätigkeit am Hof der Fürsten Esterházy, begann Haydn zunehmend mit den für die damalige Zeit noch enger gefassten Grenzen des musikalischen Ausdrucks zu experimentieren. Es ist eine Zeit des musikalischen Aufbruchs, der Innovation und der neuen technischen Möglichkeiten von Instrumenten - und einer neuen Vorliebe für Molltonarten – Merkmale, die in der Symphonie Nr. 49 in besonders intensiver Form zum Tragen kommen. Die Wahl der Tonart f-Moll ist keineswegs zufällig. In der Affektenlehre des 18. Jahrhunderts galt sie als Ausdruck von Schwermut, Ernst und innerer Erregung. Der Beiname La Passione, der vermutlich aus dem kirchlichen Aufführungskontext der Karwoche stammt, verweist auf die Nähe zu geistlichen Ausdrucksformen, auch wenn das Werk ursprünglich als weltliche Symphonie konzipiert war. Haydn selbst hat diesen Zusatz nie selber genutzt, stimmig scheint er heute aber allemal. Formell bemerkenswert ist vor allem die Satzfolge. Haydn beginnt mit einem langsamen Satz (Adagio), was für die klassische Symphonie durchaus ungewöhnlich ist. Diese bewusste Rückwendung verstärkt den ernsten, kontemplativen Charakter des Werkes. Auch die folgenden Sätze – ein streng gearbeitetes Menuett, ein nervös drängendes Presto und ein fugiert anmutendes Finale – verweigern sich weitgehend der galanten Leichtigkeit. Die Symphonie wird hier nicht als reines Unterhaltungsmusikstück verstanden, sondern als Ort existenzieller Zuspitzung. Haydn lotet die expressive Tiefe der Gattung aus und bereitet damit indirekt den Weg für spätere symphonische Dramatik – von Mozart bis Beethoven.
Richard Strauss (1864-1949)
Don Quixote op. 35 TrV 184
Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters für großes Orchester
In Don Quixote erreicht Strauss’ Fähigkeit zur musikalischen Charakterzeichnung einen neuen Höhepunkt. Im Gegensatz zu Don Juan steht hier nicht der leidenschaftliche Überschwang im Vordergrund, sondern eine vielschichtige Mischung aus Ironie, Sympathie und struktureller Raffinesse. Grundlage des Werkes ist Miguel de Cervantes’ Roman, der bereits selbst zwischen Satire und Tragik oszilliert. Die Uraufführung dieser deutlich größer angelegten symphonischen Dichtung fand übrigens im Kölner Gürzenich unter der Leitung von Franz Wüllner statt. Strauss wählt eine Variationsform, die es ihm ermöglicht, programmatische Episoden mit formaler Geschlossenheit zu verbinden. Ein markantes Thema stellt den Ritter von der traurigen Gestalt vor, während das Solo-Cello als musikalischer Protagonist fungiert. Sancho Panza wird durch Viola und tiefen Bläsern charakterisiert, wobei die Klangfarbe zwischen Bodenständigkeit und gutmütigem Spott changiert. Die einzelnen Variationen sind musikalische Miniaturen von außergewöhnlicher Detailfreude. Strauss nutzt das Orchester nahezu kammermusikalisch, experimentiert mit ungewöhnlichen Klangkombinationen und bedient sich illustrativer Effekte, ohne in bloße Anekdoten abzurutschen. Die blökende Schafherde der fünften Variation wird mit Flatterzunge in den Bläsern deutlich hörbar und zeigt ein Mal mehr die überbordende Ideenfülle des Komponisten. Besonders bemerkenswert ist die Balance zwischen humorvoller Distanz und tiefer Empathie: Don Quixote wird nie der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern erscheint als tragischer Idealist in einer prosaischen Welt. Das Finale zählt zu den stillsten und bewegendsten Momenten in Strauss’ Orchesterwerk. Die Musik zieht sich zurück, die große orchestrale Geste weicht einer fast kammermusikalischen Intimität – ein Abschied von Illusionen, jedoch nicht ohne Würde.
Genre:
Konzert
Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln
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Januar 2026
Wiener Philharmoniker
Konzert | Strauss & Haydn