
Inhalt
Alexander Melnikov, Klavier
Maxim Emelyanychev, Leitung
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
»Ruy Blas« Ouvertüre op. 95
Ludwig van Beethoven (1770 - 1827)
Klavierkonzert Nr. 5 Es Dur op. 73
Die fünf Klavierkonzerte Beethovens, deren Entstehungszeit im Übrigen nicht der Reihenfolge ihrer Zählung entspricht, bedeuten eine besonders wirkungsmächtige Phase in der Entwicklung der Gattung auf dem Weg vom frühklassischen Instrumentalkonzert des 18. Jahrhunderts zum großen Virtuosenkonzert des 19. Jahrhunderts, bei dem der Solist dem gesamten Orchester als ein dominierender Partner gegenübertritt. Die neue Entwicklungsstufe entfaltet sich erstmals im 1807 uraufgeführten 4. Klavierkonzert in G-dur, op. 58. Hier gelingt es Beethoven, den Dialog zweier gleichberechtigter Partner unter Vernachlässigung einer Solistendominanz zu entwickeln. Für diesen Vorgang existieren zwar unübersehbar Vorstufen in einigen Klavierkonzerten Mozarts, die deswegen als Prototypen gelten können. Beethoven aber blieb es vorbehalten, die Beziehungen dieser gleichberechtigten Partnerschaft von Soloinstrument und Orchester kompositorisch so auszugestalten, dass ihr Gegen- und Miteinander in eine vollendete Balance gebracht erscheint. Der Duktus der im 4. Klavierkonzert Beethovens erreichten individuellen Aufteilung der musikalischen Sprache war kompositorisch nicht zu überbieten. So stellt das 5. Klavierkonzert in Es-dur auch keine Vertiefung dar. In ihm sind lediglich die Kompositons- und Ausdrucksmittel von Beethoven aufwendiger eingesetzt. Der Weg zum späteren Virtuosenkonzert wird so weiter vorbereitet.
Obwohl der in der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin aufbewahrte Autograph des Klavierkonzerts die Jahreszahl 1809 trägt, wurde das Werk erst im folgenden Jahre vollendet. Öffentlich hat Beethoven dieses Konzert wohl nie gespielt. Er spielte es jedoch vermutlich im Palais des Erzherzogs Rudolf, der sein Schüler und zugleich Widmungsträger des Konzertes war. Die erste öffentliche Aufführung scheint am 28. November 1810 im Leipziger Gewandhaus stattgefunden zu haben.
Die ausgedehnte und vom Klavier dominierte Einleitung des Kopfsatzes "Allegro" führt im Stil einer kadenzartigen Improvisation zur Entfaltung der beiden Themen durch das Orchester. Das erste Thema erscheint energisch und kraftvoll, während das graziöse zweite Thema zunächst im pianissimo vom Klavier vorgetragen wird. Gerade dieses Thema jedoch verwandelt seinen Charakter über mehrere Stufen im weiteren Fortschreiten des Satzes, der mit seinen 582 Takten an Ausdehnung selbst den Kopfsatz der 9. Sinfonie übertrifft. Die recht knappe Kadenz dieses Satzes hat Beethoven bereits als integralen Bestandteil des Werkes dem Solisten in die Partitur geschrieben.
Das choralartig getragene Thema des zweiten Satzes, "Adagio un poco mosso", wird vom Soloinstrument und vom Orchester mehrfach variiert und erweitert. Zwei Takte vor Ende des Satzes kündigt sich, vom Klavier im pianissimo vorgetragen, das Hauptthema des folgenden Satzes an, eines "Rondo. Allegro", das ohne Pause an das Adagio angeschlossen wird. Dieses überaus schwungvolle Rondo lebt von dem Reichtum der Verarbeitung des am Anfang präsentierten thematischen Materials. Von besonderem Reiz ist der Schluss dieses Satzes, wenn das Klavier, rhythmisch unterstützt durch die Pauke, immer leiser werdend allmählich zu verklingen scheint, bevor zunächst der Solist und dann in seinem Gefolge das gesamte Orchester während dreizehn Takten im forte und fortissimo den markanten Schlusspunkt setzen.
Text: Christoph Prasser
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Sinfonie Nr. 3 a Moll op. 56
»Schottische«
Felix Mendelssohn Bartholdy entstammte einer reichen, kulturell interessierten und engagierten jüdischen Familie. Alles, was in Berlin oder als Besucher dieser Stadt Rang und Namen hatte, traf sich im Palais der Mendelssohns, wo die beliebten "Sonntagsmusiken" stattfanden. Hier konnten der junge Felix und seine nicht minder begabte Schwester Fanny mit ersten Werken experimentieren. Gleichwohl jedoch sollte er zunächst Bankier werden, allenfalls Jurist. Dennoch erhielt er die beste musikalische Ausbildung, u.a. bei Karl Friedrich Zelter. Mendelssohn war ein musikalisches Wunderkind. Bereits der 16-jährige war als Pianist, als Komponist und als Dirigent eine Berühmtheit. 1836 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig, 1843 übernahm er am neu gegründeten Leipziger Konservatorium eine Kompositionsklasse. Besonderes Ansehen genoss er jedoch als Orchestererzieher und Organisator. Er betrieb als erster eine systematische Pflege alter Musik, setzte einen Pensionsfond für die Musiker des von ihm viele Jahre geleiteten Gewandhaus-Orchesters durch und entdeckte und förderte junge Talente wie das "Geigen-Wunder" Joseph Joachim. Durch den plötzlichen Tod seiner Schwester Fanny erschüttert, starb er 1847 in Leipzig an den Folgen eines Gehirnschlags.
Im Frühjahr 1829 trat der damals 20-jährige Felix Mendelssohn Bartholdy seine erste (von insgesamt zehn) Englandreisen an. Nachdem er die Saison in London zugebracht und dort als Komponist, Dirigent und Pianist große Erfolge errungen hatte, machte er sich im Juli 1829 zusammen mit dem Freund Karl Klingemann auf eine Reise nach Schottland, in die Northern Highlands und bis zu den Hebriden. Die herb abweisende, aber doch faszinierende Natur, das raue Klima und die seltsam-düstere Geschichte Schottlands zogen ihn an. Ende Juli 1829 schrieb er an die Familie in Berlin: "In der tiefen Dämmerung gingen wir heute nach dem Palaste, wo Königin Maria (Stuart) gelebt und geliebt hat; (...). Der Kapelle daneben fehlt nun das Dach; Gras und Efeu wachsen viel darin, und am zerbrochenen Altar wurde Maria zur Königin von Schottland gekrönt. Es ist da alles zerbrochen, morsch, und der heitere Himmel scheint hinein. Ich glaube, ich habe heut da den Anfang meiner 'Schottischen Sinfonie' gefunden."
Von diesem Anfang, den Mendelssohn sich in sein Skizzenbuch der Schottlandreise notierte, bis zur Vollendung des Werkes sollten allerdings noch knapp 13 Jahre vergehen. Kaum war nämlich der Komponist im Winter 1829 nach Berlin zurückgekehrt, rüstete er sich schon wieder zu einer neuen großen Reise, die ihn nach Süddeutschland, in die Schweiz, nach Italien und Frankreich führen sollte. Zwar bemühte er sich, in Italien an der "Schottischen" weiterzuarbeiten, doch berichtete er an die Familie, er könne dort im hellen Italien den rechten "Ton" nicht finden; und arbeitete stattdessen an der "Italienischen Sinfonie". Erst um die Jahreswende 1841/42, als Gewandhauskapellmeister und preußischer Generalmusikdirektor, vollendete er die Partitur und leitete am 3. März 1842 die Uraufführung im Leipziger Gewandhaus. Die "Schottische Sinfonie" ist das sinfonische Werk, mit dem sich Mendelssohn am längsten beschäftigte und mit dem er auch sein sinfonisches Schaffen abschloss.
Der erste der vier ohne Pause zu spielenden Sätze ("Andante con moto") - um "mit den stimmungsmordenden Pausen zwischen den Sätzen aufzuräumen" - beginnt mit einer melancholischen Schilderung der schottischen Landschaft. Trotz des Liedcharakters aller Themen des Satzes entstehen dramatische Auseinandersetzungen mit leidenschaftlichen Ausbrüchen in der Durchführung; erst die Reprise, von den Celli getragen, verläuft mit störungsloser Kantilene. In der Coda jedoch ziehen Sturm und Gewitter auf, bis das Einleitungsthema erneut beruhigend aufklingt und zum zweiten Satz überleitet ("Vivace non troppo"). Dessen Hauptthema ahmt pentatonische Dudelsackklänge nach, die der Komponist in Schottland gehört hat. Streicherpizzicati führen zum dritten Satz ("Adagio"), der mit einem dramatischen Vorspiel anhebt. Die erste Violine spielt eine elegische Weise, die von einem a-Moll-Teil unterbrochen wird. Der eng angeschlossene vierte Satz ("Allegro vivacissimo") bringt zarte und heroische Perioden - und triumphal einen Siegesgesang. Diese im "Allegro maestoso" gehaltene Apotheose, von der sich Mendelssohn wünschte, sie solle klingen wie ein Männerchor, greift in ihrem Beginn auf die weich-hymnische Instrumentation (ohne Violinen) der langsamen Einleitung zurück, ehe sich in mehrfachen Steigerungswellen die Thematik im vollen Orchester emphatisch-glanzvoll ausbreitet.
Text: Heidi Rogge
Genre:
Konzert
Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln
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Tickets & Termine
Juni 2026
WDR Sinfonieorchester
GEIST DER ROMANTIK
Konzert | Mendelssohn Bartholdy & Beethoven
