
Inhalt
Christian Gerhaher, Bariton
Riccardo Minasi, Dirigent
Maurice Ravel (1875 - 1937)
Le Tombeau de Couperin
(Fugue und Toccata orchestriert von Gianluca Cascioli)
1914–17
Die Entstehungszeit von Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin“ fällt in die Zeit des Ersten Weltkriegs und dies führte auch dazu, dass der Komponist zwar bereits 1914 mit den ersten Skizzen begann, aber erst 1919 die Uraufführung stattfinden konnte. Ravel wollte eine „französische Suite“ schreiben, aber „ohne die Marseillese“, vielmehr ging es um ein Denkmal für die französische Musik des 18. Jahrhunderts und so weist der Titel, dessen Übersetzung als „Das Grabmal Couperins“ zu lesen ist, auf einen der prominenten Komponisten dieser Epoche, Francois Couperin (1668-1733), hin. Ursprünglich war der Begriff des „Tombeau“ einer reinen Trauermusik vorbehalten, jedoch wollte sich der Komponist nicht nur auf den Aspekt des Trauerns beziehen, sondern ein Denkmal für eine vergangene Epoche setzen. Jedoch ging Ravel im Aspekt des Gedenkens noch weiter: Jeden der Sätze widmete er dabei Freunden und Kameraden, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Ravel konzipierte diese Suite zunächst in sechs Sätzen für Klavier solo und dabei griff auf traditionelle französische Tanzformen wie Forlane oder Rigaudon zurück. Dabei wurde er immer wieder durch die Suiten Couperins inspiriert. Der Klavierfassung folgte 1919 eine viersätzige Fassung für
Orchester, 1920 folgte eine dreisätzige Fassung für das Stockholmer Ballett. Diese Musik Ravels atmet immer wieder den Geist der barocken Inspiration und lässt stets die typischen klaren Taktstrukturen und Rhythmen aufblitzen, über die Ravel seine Musik aber mit Farbigkeit und Freiheit in der Harmonik hinwegspülen lässt. Die Orchesterfassung eröffnet mit einem Prélude, in dessen Eröffnung man die ursprüngliche Konzeption für Klavier in filigranen Läufen erahnen kann, bevor diese sich in Klang des Orchesters verlieren. Im zweiten Satz, der Forlane, einem Tanz der ursprünglich aus dem Friaul kam, aber gerade im 18. Jahrhundert in Frankreich populär war, findet sich eine starke rhythmische Akzentuierung, die eine Popularität dieses Tanzes als Gegenbewegung zum Tango um das Jahr 1914 förderte, der in dieser Zeit zwar gerade populär in Europa wurde, aber - anders als die Forlane - von der Kirche abgelehnt wurde. In den Sätzen Menuet und Rigaudon werden ebenfalls Tänze aufgegriffen, wobei gerade der letzte Satz sich vielleicht am weitesten vom barocken Vorbild entfernt und den typisch schwelgerischen und farbigen Ravel-Klang entfaltet.
Text: Sebastian Jacobs
Hector Berlioz (1803-1869)
Les nuits d’été op. 7
1841
Hector Berlioz wurde 1803 in der französischen Provinz Isère geboren. Seinem Vater zuliebe, der selber Arzt war, studierte Berlioz zunächst Medizin. Mit 23 Jahren wechselte er jedoch auf das Conservatoire de Paris, um Komposition zu studieren.
Im Jahr 1829 sah Berlioz Shakespeares Hamlet. Diese Erfahrung machte einen starken Eindruck auf ihn. In jener Saison hatte er Gelegenheit, weitere Stücke zu sehen und die Schauspielerin Harriet Smithson anzuhimmeln, in die er sich verliebte hatte. Diese wies ihn zunächst ab, was künstlerisch in die autobiografische Symphonie Fantastique mündete. Erst nach seiner Rückkehr aus Rom, wo er dank des Prix of Rome zwei Jahre hatte verbringen können, und als ihr Ruhm langsam verblasste, willigte sie in die Heirat ein. Diese Verbindung sollte aber wenig Glück bringen.
Seine literarischen Interessen bezeugen seine Lieder und Chorwerke. Für Les nuits d'été ("Sommernächte") verwendete er Verse des romantischen Dichters und Schriftstellers Théophile Gautier (1811-1872), der in Paris in seiner Nähe wohnte. Dessen Gedichte La comédie de la mort ("Die Komödie des Todes") erschienen 1838. Es ist überliefert, dass Berlioz einige der Gedichte bereits vorher kannte und vertonte, bevor das ganze Werk im Jahr 1841 fertig war. Die Lieder sind für Mezzosopran oder Tenor und Klavier geschrieben und Louise Bertin gewidmet, der Tochter von Louis Bertin. 1843 orchestrierte Berlioz das vierte Lied Absence für seine Geliebte Marie Recio; die übrigen Lieder orchestrierte er auf Anregung eines Verlegers für die Veröffentlichung 1856, nun mit verschiedenen Widmungen versehen.
Das erste Lied, Villanelle, verherrlicht den Frühling und die Liebe und ist Louise Wolf gewidmet, Kammersängerin des Großherzogs von Weimar, wo Liszt für die Aufführung von Werken Berlioz' gesorgt hatte. Das Lied spiegelt den Geist des Gedichts wider.
Le spectre de la rose ("Der Geist der Rose") ist der Sängerin Anna-Rose Falconi gewidmet, die Berlioz in London gehört hatte. Das Gedicht erzählt den Traum eines Mädchens vom Geist der Rose. Für die Orchesterversion hat Berlioz eine Introduktion für gedämpftes Solo-Cello, Flöte und Klarinette hinzugefügt.
Sur les lagunes: Das melancholische Lamento ("In den Lagunen: Lamento") ist dem Sänger Feodor von Milde gewidmet. Gautiers Originaltitel lautet Lamento: La chanson du pêcheur (Lamento: Das Lied des Fischers), und so spiegelt die Musik Wellenbewegung wider.
Absence ("Abwesenheit") ist Sängerin Madeleine Nottès gewidmet, die 1853 das Gretchen (Marguerite) in seiner Oper Faust gesungen hatte. Sie fleht in diesem Lied um die Rückkehr des Geliebten.
Dem Tenor Caspari ist Au cimetière: Clair de lune gewidmet ("Auf dem Friedhof: Mondschein"). Ein weiteres Lamento, dessen tiefe Traurigkeit durch L'ile inconnue ("Die unbekannte Insel") zerstreut wird. Es ist dies eine Vertonung des Gedichts mit dem Titel "Barcarolle". Das Lied sucht das Unerreichbare: einen Platz, wo die Liebe ewig währt.
Text: Christoph Prasser
Nikolai Rimski-Korsakow (1844-1908)
Scheherazade
Sinfonische Suite aus Tausendundeine Nacht op. 35
1888
Wenn die Petersburger "Novatoren" um Balakirew seit der Mitte des 19. Jahrhunderts der durch und durch westlich geprägten Musikkultur Russlands eine "östliche Musik" entgegenzusetzen suchten, so meinte das ein Interesse, das über die russische Folklore weit hinausreichte und die Ideen- und Klangwelt des Orients mit einschließen sollte, wie sie seit Glinkas Oper "Ruslan und Ljudmilla" in der russischen Musik lebendig geworden war. Die Entstehungsgeschichte der sinfonischen Suite "Scheherazade" von Rimskij-Korsakow, die von der Faszination der Märchen aus "Tausendundeiner Nacht" zeugt, spiegelt die Fragestellung "Programmmusik oder absolute Musik" wider, die charakteristisch ist für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zunächst sollten die vier Sätze ganz inhaltsneutrale Bezeichnungen tragen, nämlich "Prélude", "Ballade", "Adagio" und "Finale". Davon rieten Freunde ab, und Rimskij-Korsakow gab nun genauere Hinweise zu den einzelnen Sätzen, die lauteten: "Das Meer und Sindbads Schiff" / "Die Erzählung des Prinzen Kalender" / "Der junge Prinz und die junge Prinzessin" / "Fest in Bagdad; Das Meer; Das Schiff zerschellt an den Felsen mit dem ehernen Reiter; Epilog".
Um allzu detaillierte Interpretationen des Inhalts seiner Musik abzuwehren, entschloss sich der Komponist schließlich, diese Angaben wieder zu löschen und zu Beginn der Partitur lediglich die Rahmenhandlung zu notieren: "Der Sultan Schahriar, überzeugt von der Falschheit und Untreue der Frauen, hatte geschworen, jede seiner Frauen nach der ersten Nacht töten zu lassen. Aber die Sultanin Scheherazade rettete ihr Leben, indem sie sein Interesse fesselte durch die Märchen, die sie ihm während 1001 Nacht erzählte. Unter dem Eindruck der Spannung schob der Sultan von Tag zu Tag die Vollstreckung des Todesurteils an seiner Frau auf, und endlich ließ er seinen grausamen Beschluß völlig fallen."
Diese Rahmenhandlung ist es, die die Einleitung des Werkes darstellt. Die Bläser und tiefen Streicher intonieren im Unisono das wuchtige Thema des Sultans. Dem wird das Thema der Scheherazade als anmutige Arabeske der Soloviolinen zu Harfenakkorden entgegengestellt. Diese taucht in ähnlicher Form noch einmal zu Beginn des zweiten und vierten sowie in der Mitte des dritten Satzes auf und umschließt so die einzelnen Episoden, ganz im Sinne der Programmsinfonie von Berlioz, die dem Protagonisten eine "idée fixe" zuordnet, welche sich im Laufe der Handlung und mit unterschiedlichen Erfahrungsbereichen verändert. Rimskij-Korsakow wollte sich klar von der Leitmotivtechnik eines Richard Wagner distanzieren und abgrenzen, der damals in weiten Teilen der Musikwelt noch große Ablehnung erfuhr. Rimskij-Korsakow meinte selber: "Leitmotive, die durchgehend stets mit ein und denselben poetischen Ideen und Vorstellungen verbunden sind, wird man in meiner Suite vergeblich suchen. Die vermeintlichen Leitmotive sind vielmehr nichts anderes als rein musikalisches Material oder Motive zur sinfonischen Verarbeitung".
Der erste Satz zeigt innerhalb seines Verlaufes, was damit gemeint ist: Das Thema des Sultans wird zum Hauptgedanken, während das Scheherazade-Thema als Seitenepisode auftaucht, die sich mit dem Hauptgedanken auf immer innigere Weise verbindet. Der zweite Satz tritt an die Stelle des Scherzos. Vom Fagott werden burleske Themen in immer neuem Klanggewand intoniert und wiederholt. Dazwischen sind aber auch rhapsodisch-rezitative Partien und Trompetensignale zu hören. Der dritte, langsame Satz erklingt als eine zarte Idylle im pastoralen Gewand und einem 6/8-Takt. Prinz und Prinzessin haben fast die gleiche Melodie und werden von einer rhythmischen Hintergrundmusik begleitet. Das Finale wird mit einem heftigen Zwist zwischen Sultan und Scheherazade eröffnet. Der Wirbel eines orientalischen Festes, zunächst nur im Hintergrund zu hören, dann aber immer mehr in den Vordergrund tretend, reißt die Streithähne auseinander. Es kommt zu einer Zusammenfassung aller wichtigen Gedanken und Themen der vorangegangenen Sätze, die Rimskij-Korsakow aber nicht inhaltlich, sondern rein dramatisch gedeutet wissen möchte. Alles strebt auf einen dramatischen Höhepunkt zu, Wirbel signalisieren eine nahende Katastrophe. Der Epilog schließlich zeigt den Sultan besänftigt, Scheherazade hat es mit weiblicher Raffinesse erreicht, das letzte Wort zu behalten.
Text: Heidi Rogge
Genre:
Konzert
Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln
Ihre Eintrittskarte ist zugleich Hin- und Rückfahrkarte 2. Klasse im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS).
Tickets & Termine
Januar 2026
Gürzenich-Orchester Köln
1001 Nacht
Konzert | Ravel, Berlioz & Rimski-Korsakow
