
Inhalt
Hayato Sumino, Klavier
Nicholas Collon, Dirigent
Maurice Ravel (1875-1937)
Boléro
für Orchester
Neben Debussy gilt Ravel als der Hauptvertreter einer in Anlehnung an bekannte Stilrichtungen der bildenden Kunst als "Impressionismus" bezeichneten Kompositionsrichtung. Seine Werke sind durch eine überwältigende Klangpracht und durch eine Steigerung der virtuosen Momente ins Artistische gekennzeichnet. Ravels Oeuvre markiert die letzte Verfeinerung der poetisch-virtuosen Musik des 19. Jahrhunderts. Sein großes Vorbild war Mozart, aber auch Künstler wie Schubert, Debussy, Gounod, Mussorgskij, Strawinskij, Rimski-Korsakow sowie Schönberg. Ravel verwendete die verschiedenen Stilmittel, die ihm seine Zeit bot, und schuf sich seine eigenen Gesetze und seine eigene Welt. "Ravels Kunst strebte weder nach Leidenschaft noch nach Wahrheit, sondern wohl eher nach der ‚Betrachtung des Schönen', und zwar durch die Befriedigung des Geistes mittels der Freude des Hörers". Dass Ravel das Schöne immer wieder mit Ironie und Esprit in Frage stellte, macht den besonderen Reiz und die Tiefe seiner Musik aus. Sein Schaffen zeichnet sich durch technische Perfektion und durch Präzision im Detail aus. Er wollte keine Botschaft verkünden, sondern nur mit seiner Musik bezaubern. Doch trotz der ‚Entsubjektivierung' ist Ravels Musik nicht unpersönlich. Er verarbeitete folkloristische Anregungen und benutzte Kirchentonarten. Und er übernahm die klassischen Formen, um sie dann eigenartig zu verschleiern.
Der französische Schriftsteller Jean Cocteau wies auf die "Zwillingshaftigkeit" Ravels und Debussys hin. Vom "Vater Impressionismus" gezeugt, seien sie nur voneinander abzugrenzen, wenn man "dem einen die künstlerische Physiognomie des anderen" entgegenhalte. Einen Unterschied könne man allerdings sofort feststellen: Während Debussy, der Monet der Musik, alles kräftig eingetunkt und durchwürzt habe, stelle man bei Ravel, dem Bonnard der Musik, Klänge ohne "Sauce" fest, was soviel heiße wie: keine Schleier, die Nacktheit der Rhythmen, die Trockenheit der Linie, die Kraft des Einsatzes und eine gelehrte Naivität des Tonfalls und der Akkorde. Ravel selbst war sehr überrascht über den Erfolg, dem der "Boléro" 1928 nach der Uraufführung beschieden war. Ihm ging es eigentlich um eine Betonung des technischen Elements und seine Einschätzung des Werks als "Übungsstück" wird durch die Tatsache unterstrichen, dass es ursprünglich in D-Dur stand, jedoch um einen Ton nach C-Dur transponiert wurde, als ein befreundeter Posaunist darauf hinwies, dass die Glissandi für dieses Instrument einen Ton tiefer wesentlich wirkungsvoller wären. Ravel nannte den "Boléro" sogar ein "Stück für Orchester ohne Musik". Diese Aussage sollte man Ravels paradoxem Gemüt zuschreiben, denn der "Boléro" erfüllt sehr wohl die Anforderungen eines musikalischen Meisterwerks, wie André Suarès nach der Uraufführung in der "Revue Musicale" treffend erkannte: "Die Vollkommenheit Claude Debussys und Wolfgang Amadé Mozarts ist anderer Art, aber Ravel ist vollkommen. Er hat das Dionysische des Impressionismus überwunden. Alles ist aus einem Guß. Die melodische Linie, die Freude und der hohe Sinn für Harmonie, der Rhythmus, die musikalische und poetische Gesetzlichkeit, alles vereinigt sich in ihm. Das Gleichgewicht ist unfehlbar. Das Ganze und das Einzelne, der kleinste Takt und die ganze Partitur...alles ist ausgewogen, berechnet und mit Sicherheit und erstaunlichem Geschmack dargebracht...Sein einziger Fehler ist manchmal, ohne Fehler zu sein!"
Text: Heidi Rogge
George Gershwin (1898-1937)
Rhapsody in Blue
für Jazz-Band und Klavier
Der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer wuchs in New York auf. Er kannte diese Stadt und damit auch das amerikanische Wesen genau, denn die Familie wechselte bis zu Gershwins achtzehntem Lebensjahr 25 Mal innerhalb der Stadt die Wohnung. Von seinem Vater lernte er den ‚American way of life', das Durchhalten, das zähe und unerschrockene Verfolgen des einmal gesetzten Ziels, das für Gershwin von Jugend an "Musik" hieß. Das Klavierspiel brachte er sich durch intensives Zuhören und Nachspielen bei. Auf diesem Wege lernte er ebenfalls die klassische Musik kennen, aber auch Schlager, Ragtimes und den Jazz. Diese Form der Musikaneignung erklärt auch, warum in Gershwins Kompositionen die Improvisation oft eine erhebliche Rolle spielt. Bereits in den frühen zwanziger Jahren etablierte sich Gershwin mit großem Erfolg als "Songschreiber" für Musicals, Comedies und Revuen. Im Genre der Ernsten Musik gelang ihm der Durchbruch im Jahre 1924 mit seiner berühmt gewordenen "Rhapsody in Blue". Popularität mit einem durchaus eigenen spezifisch amerikanischen Stil zu verbinden blieb Gershwins kompositorisches Credo bis hin zu "Porgy and Bess"(1935), der ersten national-amerikanischen Oper, die in den Südstaaten-Slums spielt und in deren Musik sich die Spirituals und die Bluesgesänge mit Gershwins eigener Tonsprache verbinden. Bereits 1937 erlag der Komponist einem Gehirntumor.
Die "Rhapsody in Blue" entstand nach einer Idee des amerikanischen Jazzdirigenten Paul Whiteman, der in einer Aus-gabe der "New York Times" ankündigte, Gershwin trage sich mit der Absicht, ein "Symphonic Jazzwork" zu komponieren. Whiteman lag viel daran, mit seiner Big Band ein Werk des amerikanischen Komponisten aufzuführen. Er fürchtete allerdings, dass Gershwin dies aufgrund mangelnder Erfahrung in der Orchesterkomposition ablehnen würde. Gershwin schrieb zunächst auch erst eine Fassung für zwei Klaviere. Für die Besetzung des Stückes dachte er sich ein Klavier und ein sinfonisch besetztes Jazzorchester. Tatsächlich wurde die "Rhapsody in Blue" vom Arrangeur der Jazzband Whitemans instrumentiert. Ursprünglich sollte das Werk "American Rhapsody" heißen, doch die Begegnung von Gershwins Bruder Ira mit Bildern des nordamerikanischen Impressionismus führte zu dem späteren Titel "Rhapsody in Blue". Die Uraufführung fand am 12. Februar 1924 in New York statt. Nach Gershwins eigenen Worten verfolgte er das Ziel, in der Rhapsodie ein "musikalisches Kaleidoskop Amerikas - unseres ungeheuren Schmelztiegels, unserer typischen Eigenheiten, unseres Blues, unserer großstädtischen Unrast" zu zeichnen. Das Werk in B-Dur ist einsätzig und beginnt mit einer fulminanten Einleitung der Klarinette - ein Glissando über zwei Oktaven, das von Gershwin zwar als aufsteigende Tonfolge konzipiert, in den Proben aber durch den Klarinettisten zum Spaß jazzartig modifiziert wurde. Danach antwortet der Klaviersolist in seiner einleitenden Kadenz mit einem unruhigen Thema, welches sich durch die gesamte Partitur zieht. Ein groß angelegtes, farbenreiches Wechselspiel zwischen Solist und Orchester führt zu einem zweiten Hauptthema, das weniger nervös und gehetzt wirkt und wiederum im Klavier vorgestellt wird. Der mittlere Abschnitt in E-Dur wird zum größten Teil vom Blues beherrscht, dessen kraftvolle Klaviermelodie mit markanten Akkordrückungen zum rasanten, von häufigen Tempowechseln und hämmernden Solo-Passagen bestimmten Schluss des Stückes überleitet.
Text: Heidi Rogge
Igor Strawinsky (1882 - 1971)
Le Sacre du printemps
Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen
Die Uraufführung von „Le sacre du printemps“ zählt bis heute wohl zu einem der prominentesten Skandale der Musikgeschichte. 1913 wurde das Werk erstmals gespielt und provozierte das Publikum in einer heute nur schwer nachvollziehbaren Art und Weise. Die Handlung des Werkes, das als „Szenen aus dem heidnischen Russland“ übertitelt ist, beschreibt in archaischen Zeiten verschiedene Stämme, die sich zu einem Frühlingsopfer treffen, zunächst kämpfen und miteinander ringen, bevor im zweiten Teil eine Jungfrau sich als Opfer an einen Frühlingsgott zu Tode tanzt. Neben der etwas kruden Handlung war es aber die Musik Stravinskys, die das Publikum im Paris des frühen 20. Jahrhundert schockierte und die heute als vielleicht eines der wichtigsten Werke dieser Zeit gilt, denn Stravinsky erweiterte musikalische Ausdrucksmittel in vielerlei Hinsicht. Zunächst ist sicherlich der wilde, archaische Charakter des Stückes damals etwas Neues für die Ohren der Zuhörer gewesen, schroffe, ja fast brutale Ausbrüche im Orchester überraschen permanent. Dazu wird auch der Bereich der Tonalität erweitert und verschiedene Tonarten werden immer wieder übereinander geschichtet. Nun war dies ein Mittel der Zeit, das nicht ganz neu war, aber Stravinsky präsentierte diese Klänge mit einem Riesenorchester in ganz neuen Dimensionen und in einer bis dahin nicht gekannten Dramatik. Dieser Klangeindruck wurde durch sich verschlingende Rhythmen, sich immer wiederholende, ostinierende Motivsplitter, die sich zu einem riesigen musikalischen Gebilde schichten und die ungewohnten melodischen Färbungen russischer Musik ergänzt. Heutige Hörer schockiert dies freilich nicht mehr, dennoch zählt „Sacre“ vielleicht zu einem der aufwühlendsten und extatischsten Werke der klassischen Orchesterliteratur und löst in seiner entfesselten Wildheit eher Begeisterungsstürme als Entrüstung aus.
Text: Sebastian Jacobs
Genre:
Konzert
Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln
Ihre Eintrittskarte ist zugleich Hin- und Rückfahrkarte 2. Klasse im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS).
Tickets & Termine
April 2026
Aurora Orchestra
Konzert | Ravel, Gershwin & Strawinsky
