Ein Barock-Thriller
"Miranda" im StaatenHaus
In Shakespeares „Sturm“ ist es Miranda, der als weiblicher Hauptfigur Unrecht widerfährt. Sie muss ins Exil, wird vergewaltigt und letztlich noch als Minderjährige verheiratet. Das ist starker Tobak, ist aber der Ausgangspunkt für das von Star-Regisseurin Katie Mitchell, sowie dem Barock-Experten Raphael Pichon ersonnen Musiktheater, dass als Fortsetzung des Shakespeare-Klassikers nun im Staatenhaus zu erleben ist.
Dabei ist Miranda keine Oper im herkömmlichen Sinn, denn in der Tradition des Opern-Pasticcios greifen die Macher auf Musik des „Oprheus Britannicus“ Henry Purcell zurück und konstruieren sich so ihr eigenes, spannendes Stück. Katie Mitchell, die hier auch für die Regie verantwortlich zeichnet, kreiert ein packendes Spiel, das in 90 Minuten Miranda Rache nehmen lässt. Sie crasht die nach ihrem inszenierten Selbstmord angesetzte Trauerfeier und rechnet schonungslos mit den Männern ab, die ihr in der Vergangenheit Leid zugefügt haben.
Dass dies so spannend gelingt, liegt nicht zuletzt an einem hervorragenden Ensemble, das – allen voran – mit Adriana Bastidas-Gamboa in der Titelpartie einen echten Thriller auf die Bühne bringt. Gesungen wird durch die Bank wunderbar und George Petrou entlockt einem klein aber fein besetzten Gürzenich-Orchester ein exzellentes Klangbild, dass besonders in den zarten, kammermusikalischen Passagen Akzente zu setzen weiß.
Mit „Miranda“ hat die Kölner Oper ein packendes Kammerspiel auf die Bühne gebracht, das bei der Premiere mit einem wahren Bravo-Konzert bedacht wird.
SJ
Mittwoch, 05. Oktober 2022 | Kritiken