Eine verblüffende Neuinterpretation

Die Kölner Oper präsentiert mit Händels „Orlando“ eine außergewöhnliche Inszenierung des Festivals Perelada, in der Regisseur Rafael R. Villalobos mit einem mutigen Konzept überrascht.

Die Inszenierung verbindet Händels Werk mit Virginia Woolfs Roman „Orlando“. Dorinda wird zur Schriftstellerin Woolf, Medoro verkörpert Woolfs Geliebte Vita Sackville-West, und Angelica verweist auf Vita Sackville-Wests weitere Affäre Violet Trifusis. Orlando selbst erscheint als literarische Projektion – ein fiktiver Geist, der die kreativen Prozesse Woolfs reflektiert. Durch diese frische Perspektive wird Händels Werk zwar etwas gegen den Strich gebürstet, jedoch besticht die Figurenzeichnung durch Tiefe und Intensität, auch wenn die Inszenierung etwas Vorwissen voraussetzt, um ihren gesamten Reiz zu entfalten.
Musikalisch erreicht der Abend hohe Intensität. Ruben Dubrovsky dirigiert das Gürzenich-Orchester mit einem kammermusikalischen Ansatz, der den intimen Charakter der Inszenierung unterstreicht. Der Fokus liegt auf zarten, filigranen Passagen, die nur gelegentlich zu großem barockem Pomp auftrumpfen. Besonders beeindruckend ist das Zusammenspiel mit den Sängern: Xavier Sabata (Orlando) begeistert mit einer warmen, samtigen Stimme und starker Bühnenpräsenz. Adriana Bastidas-Gamboa als Medoro überzeugt mit intensivem Spiel und klanglicher Präzision. Gianluca Buratto (Zoroastro) glänzt im Finale des dritten Aktes mit seinem kraftvollen Bass und auch Sabina Puértolas (Angelica) bringt viel stimmliche Energie ein. Ein Höhepunkt ist Alina König Rannenberg als Dorinda: Ihre fein nuancierte Stimme und hohe Emotionalität hinterlassen bleibenden Eindruck.

Sebastian Jacobs

Montag, 25. November 2024 | Kritiken