Der Traum von der Macht
„Nabucco“ triumphiert in Köln
Nach unglaublichen 66 Jahren ist Verdis „Nabucco“ endlich wieder in einer Neuproduktion auf der Bühne der Kölner Oper zu erleben – und feiert dabei eine triumphale Rückkehr, die lange in Erinnerung bleiben wird. Im Mittelpunkt steht eine exzellente Besetzung, die mit beeindruckender „Italianità“ und emotionaler Tiefe ihre Rollen ausfüllt und einen hochemotionalen Opernabend beschert. Besonders hervorzuheben ist Marta Torbidoni in der halsbrecherischen Partie der Abigaille. Mit dramatischer Ausdruckskraft und stimmlicher Brillanz verleiht sie ihrer Figur packende Intensität. Ebenso überzeugend gestaltet Ernesto Petti die Titelrolle: Sein Nabucco besticht durch stimmliche Kraft, feinsinnige Nuancen und eine berührende Verkörperung des zerrissenen Herrschers.
Regisseur Ben Baur richtet in seiner bildstarken und fokussierten Inszenierung den Blick auf den „Traum von der Macht“. Dabei nutzt er ein Bühnenbild, das an eine düstere Fabrikhalle oder einen Flugzeughangar erinnert, um die Tragik und die zeitlose Aktualität des Machtstrebens eindrucksvoll darzustellen. Unterstützt von einer bemerkenswerten Lichtregie gelingen ihm immer wieder tief bewegende Momente, die das Publikum in ihren Bann ziehen.
Der vielleicht gar nicht so heimliche Star des Abends ist aber der Chor, der, von Rustan Samedov wie immer exzellent einstudiert, mit Nachdruck beweist, was für ein exzellenter Klangkörper er ist. Der riesige Chorpart wird souverän gemeistert und gerade im berühmten „Gefangenenchor“ entsteht ein echter Gänsehautmoment.
Am Pult des Gürzenich-Orchesters gibt Sesto Quatrini ein vielversprechendes Hausdebüt. Mit durchdachten Tempi, die gelegentlich gemächlich wirken, aber stets musikalische Feinheiten betonen, gestaltet er einen differenzierten Klang, der Verdis Partitur in all ihrer Farbigkeit zum Strahlen bringt. Das Orchester entfaltet eine ausgewogene Balance zwischen dramatischen Höhepunkten und kammermusikalischen Feinheiten, ohne je zu dominieren oder zu verschwimmen.
Das Publikum feierte die Produktion mit langanhaltendem Applaus. Die Kölner Oper kann sich über die Rückkehr von „Nabucco“ in einer solch außergewöhnlichen Inszenierung wahrlich freuen.
Sebastian Jacobs
Montag, 09. Dezember 2024 | Kritiken