Der zerbrochne Krug | Horizont Theater
von Heinrich von Kleist
Marthe Rull möchte wissen: „Wer zerbrach letzte Nacht ihren Krug?“ War es Ruprecht, der Verlobte ihrer Tochter Eve, oder Eve selbst, die so unschuldig scheint, ein Unbekannter, Marthe selbst oder gar Dorfrichter Adam? Dieser Frage gehen die vier Schauspieler:innen in wechselnden Rollen nach. Auch wenn Lachen an manchen Stellen durchaus erwünscht ist, will es nicht so recht gelingen. Schwelt im Hintergrund doch immer der Gedanke, was mit Eve in der Nacht passiert sein muss. Die durchdringende Stimme von Egmont Stawinoga als Richter Adam dröhnt durch den niedrigen Theatersaal. Er lässt das Publikum das Unwohlsein spüren, das Eve ständig fühlt. Leonie Gareis als Frau Gerichtsrat Walter fungiert als Adams Gewissen, das ihm abhanden gekommen zu sein scheint. Regisseurin Christa Nachs entstaubt den Klassiker und bringt eine moderne Interpretation des Stoffs auf die Bühne. Durch den Untertitel „Scham muss die Seite wechseln“ wird deutlich, dass ein Szenario, wie in diesem Stück dargestellt, auch heute noch vorkommt. Abhängigkeit und Machtmissbrauch führen dazu, dass Menschen nicht darüber sprechen, was ihnen widerfahren ist. Zu groß ist die Scham über das, was passiert ist. Doch sind es die Täter, die sich schämen müssen, und nicht die Opfer, nie die Opfer.
Rebecca Jungbluth
Mittwoch, 12. Februar 2025 | Kritiken
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